Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Diese Reise bezeichnete Elisabeth als »Seelenbrautfahrt« mit dem »Herrlichsten«, ihrem Helden Achill.

Seelenbrautfahrt.

Weit die Schwingen ausgebreitet,
Über blauen Wassern gleitet
Meine Seele leicht dahin,
Alles Irdische vergessend,
Keine Fernen mehr bemessend,
Will sie freiheitstrunken flieh'n.

Bald in tiefen Felsenschluchten,
Bald in weinumkränzten Buchten,
Sucht die Seele stets nur ihn;
Mit den Meereswogen reisend,
Mit den Möven mastumkreisend,
Rastlos vorwärts muss sie zieh'n.

Goldig glänzt und brennt der Westen;
Wolken glüh'n in Purpurresten;
Schillernd rollt und tanzt das Meer;
Ferne eines Leuchtturms Blinken;
Und vom Firmamente winken
Schon die ersten Sterne her.

Stern des Abends, Stern der Liebe,
Weit und frei vom Weltgetriebe,
Grüsst dich meine Seele heut';
Einen Sprung in diese Wogen,
Und der Geist käm' aufgeflogen,
Wo du strahlst seit Ewigkeit!

Rosig dämmert schon der Morgen,
Und die Sonne, die verborgen
Hinter dieser Insel stand,
schleudert ihre gold'nen Speere,
Eine lange Feuerfähre,
Schwimmend an das drüb're Land.

Zwei Delphine folgen hüpfend,
Ueber Wellen gleitend, schlüpfend,
In des Fahrzeugs weisser Bahn;
In den Lüften Schwalbenschwärme,
Ziehend nach Egyptens Wärme,
Kommen dort von Nord heran.

An den jonischen Gestaden,
Wo sich Zantes Blumen baden,
Denkt die Seele liebend sein;
Wo Korfus Orangenhainen
Sich Cypressen ernst vereinen,
Weilt der Geist mit ihm allein.

Rauscht der Wind durch Oleander,
In der Seele Antwort fand er,
War's ja doch von ihm ein Wort;
Botschaft langen, treuen Sehnens,
Immer nur ihn nahe Wähnens
Trägt die Brise mit sich fort.

Lebe wohl, Korfu, du Holde,
Flüchtig manch' Jahrzehnt entrollte,
Seit der kranken Seele Rast
Du in dem Olivenschatten,
Rosmarin bedeckter Matten
Liebevoll gespendet hast.Die junge Kaiserin hatte 1861 mehrere Monate auf Korfu gelebt, ihre Krankheit auszuheilen.

Von dem Erdenwahn genesen,
Alle Leiden die gewesen,
Abgestreift im Lebensflug,
Richtet heut' die freie Seele,
Die kein irdisch' Band mehr quäle,
Gegen Troja ihren Zug.

Hui! Wie der Sirocco wütet!
Schweres Ungewitter brütet
In den Wolken ringsumher;
Blitze züngeln, Donner rollen,
Wild empört die Wogen grollen,
Schwarz wie Tinte ist das Meer.

Blitze zünden, Donner krachen,
Gähnt das Meer ein Feuerrachen,
in die Wasser schlug es ein.
Schwarz wie Tinte rings die Küsten,
Und an Santa Mauras Brüsten
Nur der Leuchten Widerschein.

Phöbus grüsst die ausgeruhten,
Ausgetobten Azurfluten
Heut' mit seinem Flammenkuss;
Lieblich zwischen Inselketten,
Die Odysseus einst betreten,
Zieht das Meer, gleich einem Fluss.

Riffe, Klippen, Myrtensträuche,
Weingelände, kleine Eiche,
Hier der Fels, wo Sappho sprang;
Klingt's wohl noch in stillen Nächten,
Als ob Nixen Kunde brächten
Von der Dichterin Gesang?

Unter mächtigen Platanen,
Riesenbäume gleich Titanen,
Auf der Höhe von Patras
Schweift der Geist, wo unter Pinien,
Hinter jenen Bergeslinien
Ruht der Schutt Olympias.

Schutt die Tempel, tot die Götter;
Nur im hohen, lichten Äther,
Kleine Mondessichel du,
Schaust den wechselnden Geschlechtern,
Götzendienern, Christenfechtern
Unverändert ruhig zu.

Weit die Schwingen ausgebreitet,
Über Saphirflächen gleitet
Meine Seele hin und eilt
Auf der Brautfahrt nach dem Lande,
wo bei Trojas Meeresstrande
Einst der Herrlichste geweilt.

Dorten von Parnassus Höhen
Möge gütig niederwehen,
Musen, euer lichter Gruss,
Dass auf ihrer Liebesreise
Meine Seele würdig preise
Ihn, den sie besingen muss.

Weises Delphi grauer Zeiten,
wo sie noch den Göttern weihten,
Lösung fanden Zwist und Hass.
Delphi! Meines Geistes Fragen
Würdest du selbst ihm versagen,
An dem Fusse des Parnass.

Hehr und schön auch noch im Tode,
Glühend in dem Abendrote
Ruhest du, Akrokorinth; –
Eingestürzt sind deine Säulen,
Und durch Marmortrümmer heulen
Klagend nur der Sturm und Wind.

Duftig blühend frisches Zante,
»Il fiore di Levante«,
Liegst du hier im Sonnenglanz,
Auf der blauen See gebettet,
Mit Olivengrün umkettet,
Myrten, Rosen sind dein Kranz.

Rasch Cerigo heisst's umfliegen,
Wo dem Meeresschaum entstiegen
Einst der Schönheit Göttin ist;
Jede Ehre sei erwiesen
Ihr, die jetzt noch hoch gepriesen;
Drum die Flagge aufgehisst!

Über Milos Golf gesunken
Kommt die Nacht, und Silberfunken
Streut der junge Mond ins Meer;
Ernste Berge, streng sich hebend,
Rahmengleich die Bai umgebend,
Deckt der Sterne zahllos Heer.

Dies ist Milo, Häuser liegen
Steil bergan wie weisse Stiegen,
Stumm und öde scheint der Ort;
durch das tiefe Abenddunkeln,
Wie des Leuchtwurms unstet Funkeln,
Irren Lichter hier und dort.

Kahl und kahlre Felsen steigen,
Ein versteinter Totenreigen,
Aus dem grundlos tiefen Blau;
Mitten drinnen, Feuer hütend,
Heissen gelben Schwefel brütend,
Kocht der Krater lavagrau.

Städtereihen grosse, kleine,
Alle weiss wie Leichensteine,
Zieh'n gespensterhaft sich hin;
Mag dein Haupt die Sonne grüssen,
Deinen Fuss die Welle küssen,
Bleibst doch Grabstein, Santorin!

Nochmals ging die Sonne nieder;
Rasselnd fiel der Anker wieder;
Ruhen will die flücht'ge Yacht,
Träumend in dem Hafen liegen,
Sich im Silberbade wiegen,
Hält der treue Mond doch Wacht.

SyrasSyra – das antike Syros, Nachbarinsel von Delos in der Mitte der Kykladen. tausend Lichter strahlen,
Prasselnde Raketen fallen,
Glänzt die Stadt ein Demantschatz;
Laute Stimmen, wildes Singen
Kommen auf des Nachtwinds Schwingen
Bis zum stillen Ankerplatz.

Das ersehnte Land rückt näher,
Sehnsuchtswogen steigen höher
Mit den Meereswogen auf;
Meine Seele steht am Steuer,
Und mit heissem Liebesfeuer
Schleunigt sie des Schiffes Lauf.

Kleiner Mond, der uns begleitet,
Treulich hast du hergeleitet
Meine Seele an ihr Ziel,
Mächtig hast du zugenommen,
Seit wir trojawärts geschwommen
Und die erste Sonne fiel.

Boden, der du ihn getragen,
Darf es meine Seele wagen,
Da zu ruh'n, wo er einst stand?
Berge, die ihr ihn gesehen,
Konntet ihr denn fortbestehen,
Da der Herrlichste euch schwand?

Doch er ist zurückgekommen,
Fest an seine Brust genommen,
Weint und jauchzt die Seele heut';
Ob Jahrtausende geschwunden,
Ob entflohen nur Sekunden,
Trennung gibt's nicht mehr, noch Zeit!

Endlich, endlich ihn gefunden,
Hält ihn tausendfach umwunden
Meine Seele, lodernd heiss;
Sterne könnte sie versengen,
Feuer in die Meere mengen,
Göttersohn, mein Achilleus!


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