Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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In ihrer bayrischen Heimat, in Bad Kreuth am Tegernsee, traf die Kaiserin nicht nur mit ihrem kaiserlichen Gatten und ihrer jüngsten Tochter Marie Valerie zusammen, sondern auch mit den zahlreichen Mitgliedern ihrer elterlichen Familie, dem herzoglichen Zweig des Hauses Wittelsbach.

Kreutherstimmungs-Lieder.

Wildbad Kreuth, Kurort südlich des Tegernsees. Bis heute Sitz der Herzöge in Bayern.

I.

Ich habe den Lenz verträumt
Auf einsamer Felsenhöh',
Und dann den Sommer gereimt
Allein auf der blauen See.

Und nun, da der Herbst erschien,
Soll ich Verwandte hier seh'n;
Und doch in dem Waldesgrün
Will stets ich ihnen entgeh'n.

II.

Die Möven, das sind meine Schwestern,
Die Adler sind Brüder mir;
Die einen verliess ich erst gestern,
Die andern sind weit von hier.

Hier gibt es so viele Personen,
Wir thuen auch so verwandt;
Doch meine gefiederten wohnen
Auf fernem Meere und Land.

Dort war ich einsam und verlassen
Und fühlt' mich doch nie allein;
Hier kann ich die Menge kaum fassen
Und fühl' mich ach! wie allein!

III.

Es rauscht der Wind in den Bäumen,
Mir thut der Kopf so weh,
Halb wachend, halb schon in Träumen
Dünkt mir's, ich hör' die See.

Es spielt der Wind in den Linnen
Der hölzernen Altan;
Schlaftrunken muss ich erst sinnen,
Ob ich nicht in dem Kahn.

Es hat der Wind mich allmählich
Gelullt, geschläfert ein –
O Seele, nun kannst du selig
Bei deinem Meister sein!

IV.

Über krystallenen Tiefen,
Gleich flüssigem Saphirstein,
Im reinsten Dufte des Äthers,
Da wiegte die Seele mein.

Im dichtesten Staube der Strassen
Fährt rastlos mein Leib jetzt einher,
Es kann ihn die Lunge kaum fassen,
Die Augen sind brennend und schwer.

V.

Familienglück! Wer kanns beschreiben?
Wer kanns besingen so wie ich?
Sein armes Opfer, muss ich treiben
Herum im Staub der Landstrass' mich.

Die Kinder schrei'n, die Spitze bellen,
Aus jedem Fenster tönt Clavier;
Und extra noch mein Ohr zu quälen,
Singt eine Dame Skalen hier.

Nun hab' ins Thal ich mich verkrochen;
Bin ich erlöst? O point du tout!
Die Sippschaft kommt mir nachgezogen
Und stört auch dort noch meine Ruh'.

VI.

Die Seele gähnt und hat Malaisen,
Sie langweilt sich ganz fürchterlich;
So schlecht ist lang ihr nicht gewesen,
Selbst Poesie liess sie im Stich.

VII.

Die Zeit ist eingenickt
Und schnarchend steh'n geblieben;
Gern hätt ich sie gezwickt
Und weiter angetrieben.

Ich seh'n mich nach der Ruh,
Todmüd sind meine Glieder,
Vom Berg winkt sie mir zu,
doch steigt nicht zu mir nieder.

»Steig Du herauf«, so spricht
Sie von dem Felsenthrone
Und strahlt im Purpurlicht
Der untergehnden Sonne.

»O Ruhe! siehst du nicht?
Ich bin hier festgebunden,
Beschwert mit Bleigewicht,
Mit Fesseln ganz umwunden.

Es geht mir hier im Thal
Wie Gulliver, dem Riesen,
Den Anno dazumal
Die Zwerge frei nicht liessen.

Wohl möcht' ich gern davon,
Ich fühl' mich miserabel,
Die Zunge hängt mir schon
Heraus bis an den Nabel.«

VIII.

Wie der Pontius ins Credo,
Kam ich ins Familienjoch;
Denn zu fliehen die Familie,
War mein Drang von jeher doch.

Meine Mutter war die Freiheit,
Die, als Kuckuck einst maskiert,
In ein fremdes Nest mich legte;
So ist dies Malheur passiert.

Nach der Mutter Freiheit fühl' ich
Mich von Sehnen oft verzehrt;
Doch umsonst! Die Schwingen sinken
Machtlos hin mir und beschwert.


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