Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Heidelberg.

Mir ward schon ernstlich bange,
Der Lenz kam heuer nicht;
Er zögert so lange
Der lose, liebe Wicht.

Die Bäume, wie im Winter,
Mit grämlichem Gesicht
Und totem Laub dahinter,
Nein, das gefiel mir nicht!

Doch all' dies ist gewesen,
Die Not, Gottlob, vorbei;
Frau Erde scheint genesen
Des schönsten Monat Mai.

Die Höhen ringsum bringen
Ihr weisses Brautgewand,
In das sie duftig schlingen
Der Blüten rosa Band.

Durch dunkeln Ernst der Tannen
Drängt keckes Lärchengrün;
Und blaue Lüfte spannen
Sich wonnig d'rüber hin.

Den schönsten Teppich breiten
Aufs ganze Felsenmeer
Jetzt aus nach allen Seiten
Die liebe Heidelbeer.

Aus jungem Buchenlaube
Tönt froh des Kuckucks Gruss,
Worauf verschämt Wildtaube
Ihm Antwort girren muß.

Um mich zu überzeugen,
Dass ich nicht blos geträumt,
Den KönigstuhlBerg bei Heidelberg, 568 m hoch. ersteigen
Will ich nun unversäumt.

Da liegt zu meinen Füssen
Das schöne Bad'ner Land,
Erweckt mit tausend Küssen
Hat es des Frühlings Hand!

Doch in die Schlossruinen
Lockt frischer Weisen Klang,
Dort eifern Violinen
Mit freiem Vogelsang.

Es gaukeln Schmetterlinge
Und Stürmer, weiss und rot,
Maikäfer, guter Dinge,
Die Blütenpracht bedroht.

Citronenfalter schwirren,
Und Kappen, gelb und grün
In den Bosketten irren
Sieht man bald her, bald hin.

Rings fröhliches Gekicher
Eljen! Vivat! Hurrah!
Nun weiss ich es erst sicher:
»Der Lenz ist wirklich da!«


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