Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Elisabeth stellte sich in folgender Phantasie dreifach dar: als Titania mit dem Esel, als Braut des Achill und als sich selbst:

Mondspuk.

(Bei Cypern.)

In dem hellsten Mondenscheine
Stand ich sinnend am Verdeck,
Gaukelnd auf der Silberfläche
Schwammen die Gedanken weg.

Da, am lichten Horizonte,
Nahten sich der Schiffe zwei;
Und bald zogen, leicht und duftig,
Rechts und links sie mir vorbei.

Das zur Rechten war das grössre,
Und ein kleines Paradeis
Schien's mit seinen bunten Lampen
Und den Segeln, schneeig weiss.

Lieblich wanden an den Masten
Blumenketten sich entlang,
Die des Nachtwinds leiser Odem
Duftend in den Lüften schwang.

Rote Wimpel, blaue Flaggen,
Von der Nachtluft keck erfasst,
Flatterten in leichtem Spiele
Frisch und frei von jedem Mast.

Auf dem Decke tönt's wie Harfen
Und wie Mandolinenklang;
Mächtig rauscht und schwillt dazwischen
Ein melod'scher Chorgesang:

(Star of the evening, beautiful star.)

Stern du des Abends, lieblicher Stern,
Sinnbild der Liebe, dort oben so fern,
Leite dies Fahrzeug dein strahlendes Licht,
Dass keine Klippe, kein Unstern es bricht!

Abseits ruhten zwei Gestalten
Unter goldgesticktem Zelt,
Von des Mondes Silberstrahlen,
Hier und dort gestreift, erhellt.

Zärtlich, weltvergessend, liebend
Hielten sie umschlungen sich;
Ein Apollo er an Schönheit,
Reizend sie und minniglich.

Um die jungen Schultern strömten
Flechten, Locken, rötlich blond,
Und ihr zartes blasses Antlitz
Schaute träumend in den Mond.

Seinen Nacken leicht umwunden
Hielt ihr voller weisser Arm,
Ihre roten Lippen glühten
Liebesheiss und lebenswarm.

Seines Körpers schlanke Formen
Könnt' im Licht ich deutlich seh'n,
Doch die Züge, tief im Schatten,
War'n nicht möglich zu erspäh'n.

Plötzlich, wehe! dass ich's schaute,
Traf ihn voll des Mondes Glanz,
Eines Esels Haupt, das trug er,
Frisch geschmückt mit Blütenkranz.

Und wie ich, von Schreck ergriffen,
Ab mich wandte rasch und wild,
Gleitet mir zur linken Seite
Noch ein Schiff, ein Nebelbild.

Nebelstreifen war das ganze
Fahrzeug, wie ein Luftgebild;
Und doch sah ich jedes Segel,
Jeden Mast, den es enthielt.

Zwei Gestalten auf dem Schiffe
Standen sie, doch Seelen nur,
Er, mit seinem Speer und Schilde,Achill.
Eine herrliche Contour.

Stolz das edle Haupt erhoben,
Sah er zu den Sternen auf,
Nicht auf Wellenpfaden suchend,
Sondern oben, seinen Lauf.

Fest an seine Brust genommen,
Ruht die zweite Seele dort,
Wie ein Schiff nach schweren Stürmen
Rastet in dem sichern Port.

Schauen musst' ich, wie versteinert,
Schauen starr und unverwandt,
Schien mir doch des Weibes Seele,
Einem Traumbild gleich, bekannt.

Ja wahrhaftig, jetzt erkannte
Ich sie dort und ich sie hier;
Oder war's des Teufels Blendwerk,
Der sein Spiel nur trieb mit mir?

Bald zur Rechten, bald zur Linken
Irret mein entsetzter Blick,
Bis ich endlich greife, taste
Fragend nach mir selbst zurück.

Bin ich's? War ich's? Wo ist Lösung?
Bin ich selbst vielleicht nicht mehr?
Alle meine Sinne irren
Auf den Wellen frei umher.

Die Gedanken liess ich schweifen,
Unbeachtet flohen sie;
Fruchtlos ist nun alles Greifen,
Ich erhasche sie doch nie.

Händeringend schrie und brüllte
Ich hinaus ins weite Meer:
»Kehrt zurück, ihr, meine Sinne;
Denn mich quält ein Dämonheer«.


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