Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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1853.

Mein Traum.

Ich war heut' Nacht ein Kaiser,
Doch freilich nur im Traum,
Dazu noch ein so weiser,
Wie's solchen gibt wohl kaum.

Nah' an die fünfzig Jahre,
Sitz' ich schon auf dem Thron,
So dacht' ich; sprech' ich wahre,
Niemand hat was davon.

Wo liegt der Hund begraben?
War doch, weiss Gott, nie faul,
Musst man fürs Heer was haben,
Nahm ich kein Blatt vor's Maul.

Schliesslich sind doch Soldaten
Allein des Staates Stütz';
Denn, wo sie die nicht hatten,
Ging alles in die Pfütz'.

That schön den Russen, Preussen,
Galt's meines Landes Wohl;
Ja, auf den Kopf sie sch ... n
Liess ich mir demutsvoll.

Mich fand das Morgengrauen
Stets an dem Arbeitstisch;
Gewissenhaft zu schauen,
Pflegt' ich, nach jedem Wisch.

Es war seit früh'ster Jugend
Entsagen stets mein Los;
Ich lebte streng der Tugend
Nur im Familienschoss.

Wie endlos lange Stunden
Oft im Ministerrat
Ward mir der Geist geschunden
Durch Reden, dumm und platt.

Minister gingen, kamen;
Die ich all durchprobiert,
Nicht weiss ich ihre Namen,
Nur, dass sie mich blamiert.

Nur einer kam dazwischen,
Der macht' das Staatsschiff flott;Gemeint war Graf Gyula Andrássy, österreichisch-ungarischer Außenminister von 1871 bis 1879, mit dem die Kaiserin zeitlebens befreundet war und der sie auch politisch beeinflußte.
Liess leider ihn entwischen;
Nun herrscht die alte Not.

Nach langem Überlegen
Komm' ich jetzt zum Entschluss,
Dass hier mit Gottes Segen
Etwas geschehen muss.

Das arme Landvolk schwitzet,
Bebaut mühsam sein Feld.
Umsonst! Gleich wird stibitzet
Ihm wiederum das Geld.

Kanonen sind sehr teuer,
Wir brauchen deren viel,
Besonders aber heuer,
wo Ernst wird aus dem Spiel.Ständige, eskalierende Konflikte zwischen Österreich-Ungarn und Rußland am Balkan ab Mitte der achtziger Jahre ließen einen Kriegsausbruch als nahe bevorstehend erscheinen.

Wer weiss! gäb's keine Fürsten,
Gab' es auch keinen Krieg;
Aus war' das teure Dürsten
Nach Schlachten und nach Sieg.

Vielleicht lässt sich was machen
Doch mit »vereinter Kraft«,Anspielung auf Franz Josephs Wahlspruch »Viribus unitis«.
Dass man aus alten Sachen
Hier noch was Gutes schafft.

Drum aus den Republiken
Der grossen, weiten Welt
Die Schädel all, die dicken,
Hab' ich mir herbestellt.

Die müssen conferieren
Von Früh bis in die Nacht
Und mir dann referieren,
Was Völker glücklich macht.

Und sollten sie entscheiden,
Die Republik muss sein,
So willige mit Freuden
In ihren Wunsch ich ein.

Sprech: »»Meine lieben Kinder,
Ich zieh' mich jetzt zurück,
Seid ihr nicht wahre Rinder,
Benützet ihr dies Glück.«

Den Traum, als ich erwachte,
Hab' keinem ich erzählt;
Sonst sperren sie mich sachte
Noch gar ins Bründelfeld.K. k. Irrenanstalt in Wien.


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