Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Cyclamen.

In stark verkürzter, verballhornter Fassung schon bei Larisch, 310 f.

I.

Sind's vielleicht die Herbstcyclamen,
Üppig blühen sie wie nie,
Die mir so den Kopf einnahmen?
Sinnbetäubend duften sie.

Längs dem ganzen steilen Pfade
Steigen sie am Fels hinan;
Und mit violettem »Staate«
Ist mein Berg heut' angethan.

Doch ihr Hauch, der thut mir wehe,
Glühend heiss ist meine Stirn;
Scheint's doch fast, als ob sich drehe
In dem Kopfe mir mein Hirn.

Lauschen muss auf jeder Stufe
Ich und ängstlich rückwärts schau'n.
Ist's mir doch, als ob mich rufe
Hinterm Felsen dort ein Faun.

Und jetzt klingt's wie Hohngelächter,
Böse Geister sind heut' los,
Unterird'sche Feuerwächter,
Die sonst tief im Erdenschoss.

Und die schrecklichen Grimassen,
Welche rings die Bäume zieh'n;
Wie aus jenen Wolkenmassen
Plötzlich sie der Mond beschien.

Hell ist's wie am lichten Tage
Und doch so gespensterhaft,
Dass ich vor dem Rückweg zage,
Trotz der grossen Seelenkraft.

Meine Not vergrössern helfen
Will der Gletscher, starr und weiss;
Denn es dreh'n sich Silberelfen
Rastlos hin auf seinem Eis.

Aus den Fichtenbäumen lachen
Käuzchen hämisch, menschlich fast;
Und dort krächzt mit offnem Rachen
Eine Krähe von dem Ast.

O, ihr grässlichen Cyclamen!
Ihr habt heut' mein Hirn verhext;
Ich verfluche euern Samen,
Der dem Höllenpfuhl entwächst!

II.

»Es sei gelobt der Namen
Des Herren Jesu Christ,
– In Ewigkeiten, amen, –
Der du mein Schutz jetzt bist!«

Sie spricht's und stürzt hinunter
Den steilen Felsenpfad,
Den früh am Morgen munter
Sie noch erklommen hat.

Sie stürmet rastlos weiter,
Bald ist das Thal erreicht;
Die Berge zieh'n sich breiter,
Der Weg wird sanft und leicht.

Auf taubenetzten Matten
Da duftet's mild und süss,
Nicht wie im Felsenschatten,
Den jüngst sie erst verliess.

Die offnen Fenster winken
Aus wildem Weine dort;
Sie lässt das Haus zur Linken
Und eilet rastlos fort.

Sie eilt mit raschen Schritten
Die Strasse jetzt entlang;
Als könnt' sie nie ermüden,
So fiebrisch ist ihr Gang.

Der Fluss ist ihr Begleiter
Und rauscht Vernunft ihr zu,
Sie aber schickt ihn weiter;
Zu dieser braucht man Ruh'.

Laut singend naht ein Bauer,
Unsicher scheint sein Ziel,
– Der that beim Märzenbrauer
Des Guten wohl zu viel. –

»Wozu die grosse Hetze,
Die Nacht ist lang genug!«
Und schimpft dazu sie Metze
Mit einem groben Fluch.

»Es haben die Cyclamen
Vergiftet heut' mein Hirn!«
»In aller Teufels Namen
Fahr ab, verrückte Dirn'!«

Sie flüchtet rasch von dannen,
Wo über einen Steg
Ins Dunkel hoher Tannen
Sich abzweigt jetzt ein Weg.

Nicht lang ist sie gegangen,
Kommt pfeifend, o Malheur!
Das Ränzel umgehangen,
Ein Handwerksbursch daher:

»Du bist so fein gekleidet,
Gewiss hast Du auch Gold;
An Durst und Hunger leidet,
Wer so, wie ich, stets trollt.

Auch denk' ich, gäb's Geschmeide,
Armband und Fingerring,
Ich thu' Dir nichts zuleide,
Gibst Du mir solch ein Ding.«

»In mein Gewand vertiefte
Ich nichts als dies Papier,
Sammt einem Silberstifte,
Geweiht vom Meister mir.

Ich trage nie Geschmeide,
Das wär' mir eitle Last,
Drum thu' mir was zuleide,
Wenn's Herz dazu du hast!«

»Nun gut, ich lass' Dich laufen,
Doch gib mir Deine Uhr,
Ich kann sie gut verkaufen
Und Dich beschwert sie nur.«

»Unglücklicher! verlangen
Darfst Du dies nie von mir;
Siehst Du im Mondlicht prangen,
Am silbernen Scharnier,

Nicht mystisch lange Zeichen
In fremdverschlungner Schrift?
Ich darf dir nimmer reichen,
Was Tod dir wär' und Gift.

Sie sind des Braut'gams Namen,
Viertausend Jahr' schon tot.Elisabeth trug stets eine silberne Taschenuhr mit dem griechischen Namenszug »Achilleus« bei sich.
Vergiftet durch Cyclamen
Ward ich ums Abendrot.«

Dem Handwerksburschen graut es
Ins Mark hinein jetzt schon;
Unfähig jeden Lautes,
Geht eilends er davon.

Nun kann sie weiter wandern,
Nichts hemmt mehr ihren Lauf;
Ein Hügel nach dem andern
Führt abwärts bald, bald auf.

Doch in dem Buchenlaube
Was schimmert wohl so licht?
Bedeckt vom Silberstaube
Kommt jetzt der SeeWolfgangsee. in Sicht.

Ein weiter Silberspiegel,
Dehnt blendend er sich aus;
Den streift mit schwarzem Flügel
Die dunkle Fledermaus.

Die alten Berge schauen
So urwelternst hinein;
Ihr Haupt muss doch ergrauen
Trotz all dem Licht und Schein.

Am Uferrand zur Rechten
Hebt sich vom Ort empor
Die Kirche, Guten, Schlechten
Steht offen stets ihr Thor.Kirche von St. Wolfgang.

In frommem Glauben richten
Viel Wallfahrten sich hin,
Wo um Ex-voto-Schichten
Die Wundersagen blüh'n.

Sucht sie der Kirche Schatten?
O nein, sie schreitet fort
Jetzt über grüne Matten;
Entfernt liegt bald der Ort.

Auf einer kleinen Höhe,
Bedeckt mit Buchengrün,
Die bis zum Silbersee
Anmutig hin sich ziehn,

Bleibt sie nun endlich stehen
Vor eines Gartens Zaun;Wahrscheinlich Villa Frauenstein am Wolfgangsee, die Katharina Schratt im Sommer 1887 gemietet hatte. Ein nächtlicher Besuch der Kaiserin bei der Schratt ist nicht durch andere Quellen zu belegen. Doch war es keineswegs ungewöhnlich, daß Elisabeth überraschende Besuche, selbst in völlig fremden Häusern, machte (Hamann, 574f.).
Wird auf die Thür wohl gehen?
Sie bückt sich, um zu schau'n.

Nun tritt sie in den Garten;
Auch hier regt sich kein Laut,
Die bunten Rosenarten,
Die duften mondbetaut.

Sie duften in ein Fenster,
Das weit geöffnet steht
Trotz Eulen und Gespenster,
Trotzdem die Nachtluft weht.

»Wach' auf aus Deinem Schlummer,
Ans Fenster tritt geschwind;
Denn krank und voller Kummer
Mein Hirn, mein Haupt heut' sind.

Was zögerst Du so lange
O zeig dich endlich doch!
Mein Kopf ist wüst und bange,
Seit ihn das Gift umkroch.«

Im lichten Mondenstrahle
Wer tritt ans Fenster jetzt,
Verhüllt mit einem Shawle,
Das Antlitz bleich, entsetzt?

Die grossen Augen starren
Versteinert schier herab,
Die sie dort unt' gewahren,
Entstieg sie nicht dem Grab?

Und wieder ruft die Arme:
»O furcht' Dich nicht vor mir,
Ich thu Dir nichts zum Harme
Nur helfen sollst Du mir!«

Die oben ringt die Hände:
»O Jesus und Marie!
Naht denn der Welt ihr Ende?
Solch' Schrecken hatt' ich nie!«

»Ich thu Dir nichts zuleide,
Nur komme schnell hieher;
Leg mir die Hände beide
Aufs Haupt, es brennt so sehr.

Das wird mir sicher kühlen
Da drin die wilde Glut;
Sind Dir auch gram die Vielen,
Ich bin Dir dennoch gut;

Denn geht, das Haupt voll Sorgen,
Zu Dir mein Eh'gemahl,
Zurück kehrt er am Morgen,
Erfrischt, verjüngt ins Thal.

Drum lege beide Hände
Nur schnell auch mir aufs Haupt,
Eh ich mich heimwärts wende;
Das hilft, was fest man glaubt.«

»So sprich in Christi Namen,
Was ist denn Deine Not?«
»Vergiftet durch Cyclamen
Ward ich ums Abendrot.«


 << zurück weiter >>