Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Bei den allsonntäglichen »Familiendiners« in der Hofburg waren ausschließlich Mitglieder des Hauses Habsburg zugelassen. Daß Elisabeth von solchen Verwandtentreffen nichts hielt (wie von der Habsburger Verwandtschaft überhaupt), zeigte sie deutlich. Sie stellt sich selbst wieder als Titania, ihren kaiserlichen Gatten als Feenkönigin Oberon dar.

Familienmahl.

Auf Titania, schmücke dich
Heut' mit Diamanten!
Sonntag ist's, es nahen sich
Wieder die Verwandten.

Auf die Flechten setze leicht
Deinen bunten Falter;
Silbergrauer Atlas, deucht
Mir, ziemt deinem Alter.

Dir zur Seit' dein Töchterlein,Erzherzogin Marie Valerie.
Deine Augenweide,
Wie ein Püppchen, zart und fein,
Prangt's im rosa Kleide.

Ihr im Haar wiegt sich kokett,
Funkelnd die Libelle;
Hals und Arm' sind übersät
Wie mit Sternlein helle.

Oberon im Feensaal
Winket schon den Gästen,
Die sich dem Familienmahl
Nah'n von Ost und Westen.

Erster zu erscheinen pflegt
Ob'rons jüngster Bruder;Erzherzog Ludwig Viktor.
(Und der grosse Erdball trägt
Kein solch' zweites Luder).

In dem kränklich schlaffen Leib
Herrscht ein äffisch Wesen;
Lügen ist stets Zeitvertreib
Ihm und Pflicht gewesen.

Ehrabschneiden zum Metier
Hat er sich erkoren;
Drum, wer ihm verfällt, dem weh!
Der ist schon verloren.

Folget nun die grosse Schar
All der Muhmen, Basen,
Wenn an Spiritus auch bar,
Auf mit Stolz geblasen.

Diese, einer Schweizer Kuh
Gleich an fetten Formen,
Dünkt sich doch in stolzer Ruh'
Schön bis zum Abnormen.Nicht zu identifizieren.

Jene aber, hässlich, wie
Eine Hex im Märchen,
Lässt am Nebenmenschen nie
Steh'n ein gutes Härchen.Nicht zu identifizieren.

Die in greller Pfauenpracht
Dort und falschem Schöpfe,
Ei, wie sie sarkastisch lacht,
Mit dem schiefen Kopfe!

Schon ihr Auge sagt sie aus
Jenes Stammes Sprössling,
Der in jedes Fürstenhaus
Setzet seine Schössling.Wahrscheinlich Erzherzogin Klothilde (1846-1927), eine geborene Prinzessin Sachsen-Coburg-Gotha.

Ihr Gemahl, mit Fleisch beschwert,Wahrscheinlich Erzherzog Joseph aus dem ungarischen Zweig des Hauses Habsburg (1833-1905).
Duckt sich, wenn sie keifet;
Wedelt aber höchst beehrt,
Wenn der Schwager pfeifet.

Ganz verschieden, hat die dort
Freud' nur am Gebären,
Möcht' am liebsten fort und fort
Stets die Welt vermehren.Erzherzogin Maria Immaculata (1844–1899), die Gemahlin Erzherzog Carls Salvator (1839-1892), war eine Tochter König Ferdinands II. von Neapel-Sizilien.

Zählt der Kinder neune schon,
Noch ist's ihr zu wenig;
Und doch fehlet jedem Sohn
Gulden, Kreuzer, Pfennig.

»Séduisant«, ihr Ält'ster, steht
Dorten auf der Schwelle;Erzherzog Leopold Salvator (1863-1931), wegen seiner vielen Frauenaffären »séduisant« verführerisch genannt. Sein Bruder: Erzherzog Franz Salvator (1866–1939), der spätere Ehemann der Kaisertochter Marie Valerie (»Seelibelle«).
Neben ihm sein Bruder späht
Nach der Seelibelle.

Hinter ihr, wohl eher schiech,
Ist der Töchter eine;Erzherzogin Immaculata hatte fünf Töchter. Welche hier gemeint ist, ist nicht zu ermitteln.
Recht bescheiden hält sie sich,
Diese blasse Kleine.

Wo beim Fenster ein Boskett,
Frisch sich wölbt aus Blüten,
Dorten ein Adonis steht,
Wie aus Hellas' Mythen.

Ein Apoll ist er an Reiz;
Um die edeln Glieder
Wallet mit dem Ordenskreuz
Weiss der Mantel nieder.Erzherzog Eugen (1863-1954) war erst am 10. Januar 1887 feierlich in den Deutschen Ritterorden aufgenommen worden, dessen Hoch- und Deutschmeister er später wurde.

Folgend seines OheimsErzherzog Wilhelm (1827-1894), ein Bruder von Eugens verstorbenen Vater Carl Ferdinand, war Hoch- und Deutschmeister und ein berühmter Frauenfreund. Spur,
Hat er auch geschworen,
Zu entsagen der Natur,
Cölibat erkoren.

Treibt er's, wie der gute Ohm
Hinter den Coulissen,
Wird der treue Ordenssohn
Ehstand nie vermissen.

Wieder lässt die Flügelthür
Einen Gast erscheinen,
Säbelklappern, Sporngeklirr
Kriegerisch sich einen.

Mit dem Feldmarschallenstab
Naht der Zukunftssieger. –
Wenn nicht gar des Reiches Grab
Gräbt der alte Krieger.Erzherzog Albrecht (1817-1895), der älteste Bruder Erzherzog Wilhelms, war der höchste Militär, den die Familie Habsburg neben dem Kaiser stellte. Er war k.k. Feldmarschall und General-Inspekteur des k.k. Heeres, Sieger der Schlacht von Custozza 1866. Er war ein mächtiges Mitglied der »Hofkamarilla« und als solches von den Liberalen sehr angefeindet. Er galt als persönlicher Feind der Kaiserin Elisabeth.

Weiter wird die Flügelthür
Jetzt noch aufgelassen;
So viele Grandezza schier
Kann sie kaum mehr fassen.

Gnädig nickend schreitet er
In der Kinder Mitte,
Der sich wähnt der höchste Herr,
An dem Arm die Dritte.

All der Ahnen Spanierstolz
Auf dem Stieresnacken,
Hat des Parketts Zedernholz
Nie solch' Vieh getragen.Erzherzog Karl Ludwig, der jüngere Bruder des Kaisers (1833-1896), war in dritter Ehe mit Maria Theresia (1855-1944) aus dem Hause Braganza verheiratet.

Mit Juwelen reich geschmückt,
Wie ein Auslagskasten,
Schleppt die junge Frau gedrückt
All die teuern Lasten.

Schwermutvoll ihr Auge blickt,
Träumend in die Weite;
Ihre Jugend ist geknickt,
Trübsal ihr Geleite.

Ueber alle Massen lang,
Sieht man ihr zur Seiten
Schon mit selbstbewusstem Gang
Seine Tochter schreiten.Erzherzogin Margarete (1870-1955), die Tochter Karl Ludwigs aus zweiter Ehe mit Annunziata aus dem Haus Neapel-Sizilien. Margarete war Äbtissin des k.k. Theresianischen adeligen Damenstiftes auf dem Prager Hradschin und heiratete 1893 Herzog Albrecht von Württemberg.

Folgen noch der Söhne drei;
Spricht man von Excessen,
Wenigstens die altern zwei
Sind da nie vergessen.Karl Ludwigs drei Söhne aus zweiter Ehe: Erzherzog Franz Ferdinand (1863-1914), Erzherzog Otto (1865-1906) und Erzherzog Ferdinand (er wurde später wegen der Heirat mit einer Bürgerlichen aus dem Erzhaus ausgeschlossen und nahm den bürgerlichen Namen Ferdinand Burg an). Über die Exzesse der beiden Älteren s.S. 161 ff. und 255 ff.

Doch nun scheint der Saal besetzt
schon mit allen Gästen;
Nein! es kommen stets zuletzt
Immer noch die Besten.

Dieses Paar, das jetzt erscheint,
Würdig zu beschreiben,
Sterblichen ist es verneint,
Worte aufzutreiben.

Strahlt die Elektricität,
Muss das Gas erbleichen,
Selbst des Ob'rons Majestät
Hier muss sie jetzt weichen.

Elisabeths einziger Sohn, Kronprinz Rudolf, und seine Gemahlin Kronprinzessin Stephanie, mit denen sich die Kaiserin in diesen Jahren sehr schlecht vertrug (Hamann, 548ff.). Mit der »Elektricität« spielte sie auf Rudolfs Engagement für die Elektrische Ausstellung in Wien 1881 an, darüber hinaus auf Rudolfs Vorliebe für die modernen Naturwissenschaften und nicht zuletzt auf sein auf dieser Wissenschaftsliebe fundiertes Selbstbewußtsein und Überheblichkeitsgefühl selbst gegenüber »Obrons Majestät«, also dem Kaiser.


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