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Bald nach Sommersende fing das Wetter an, unruhig zu werden. Was kümmerte das Heinrich Bremer noch? Der Damm stand! Stand fest und breitfüßig genug im Watt, um jedem Sturm trotzen zu können. Die Spülarbeiten waren beendet. Der Damm bis zu zwei Meter über dem normalen Hochwasserstand aufgehöht. Was konnte ihm noch geschehen? Aber er dachte es gleichgültig. Um diese Zeit traf er Gondelina Eschels im Dorf.

»Haben Sie immer noch so viel zu tun?« fragte sie spöttisch. Da kam ihm zum erstenmal der Gedanke, sie könnte sein Fernbleiben als Stellungnahme gegen ihren Vater auffassen. Über Eschels Zwiespalt mit seiner Gemeinde lief mancher Klatsch durch Dorf und Arbeiterbaracken. Holm-Peters wühlte energisch; er und seine Anhänger gewannen täglich an Einfluß. Auch Heinrich Bremer hatte gehört, daß das gegenseitige Verhältnis nicht besser geworden war – hatte es öfter besprechen hören, ohne doch weiter darüber nachzudenken, was dies etwa für Eschels bedeuten könnte. Das tat ihm nun ehrlich leid, und am selben Abend noch ging er zum Pfarrhaus hinauf.

Die Mimi – oder die Mitzi? Er konnte sie nicht unterscheiden, obgleich die eine blond, die andere dunkel war – führte ihn ins Wohnzimmer. Da waren zwei weibliche Gestalten. Die eine war Gondelina Eschels. Die andere – er neigte sich und küßte wortlos die Hand, die sich ihm bot.

»Kennt ihr euch?« fragte Gondelina erstaunt. Aber sie bekam keine Antwort. –

Am folgenden Morgen ging Heinrich Bremer über den Damm. Nicht anders als am Tage vorher. Plötzlich aber dachte er: »Wo hatte ich denn nur meine Augen? Der Damm steht ja! Mein Werk ist vollendet!« und eine stürmische Freude ließ sein Herz lauter schlagen. »Was fehlt hier denn noch? Nichts mehr als ein Winter voll Ameisenfleiß –« ging zur Nösse zurück, zum Lagerplatz, ging ins Büro und ließ sich mit dem Bauamt telephonisch verbinden.

Bei Feierabend, als die Löhne der Woche gezahlt wurden, war Heinrich Bremer heute selbst im Büro, saß an seinem eigenen Tisch am Fenster, ließ Magge Sörensen wie gewöhnlich mit den Leuten abrechnen, sagte dann aber zu jeder einzelnen Gruppe, die kam und wieder ging:

»Von heute ab werden keine Prämien mehr gezahlt, weder Wassergeld noch für außergewöhnliche Arbeiten; solche sind nicht mehr nötig. Wir arbeiten von nun an ohne Überstunden, in regelmäßigen Tag- und Nachtschichten.«

Er fügte kein Wort weiter hinzu, aber da war unter all den Männern nicht einer, der nicht verstanden hätte: der Damm ist fertig! Der Damm steht! Der große Verdienst hat ein Ende! Schweigend nahmen sie ihr Geld. Schweigend drückten sie sich wieder zur Tür hinaus. Nur die rheinischen Steinsetzer murrten.

»Für unsere Arbeit müssen wir immerhin Saisonzuschläge bekommen. Wird die Pflasterung nicht vor dem Winter noch dicht, geht doch der ganze Damm zum Teufel.«

»Dafür trage doch wohl ich die Verantwortung!« sagte Heinrich Bremer scharf. »Ich zahle keinen Pfennig mehr über Tarif.«

Da traten die Steinsetzer draußen in Gruppen zusammen und kündigten ihm dann einer für alle, alle für einen. Das fuhr Bremer doch in die Nerven, denn es waren überm Osterley und beim Holländer Loch noch Granitblöcke aus Schweden vorgesehen, drei bis vier Zentner schwer, um dort vor jeder Unterspülung sicher zu sein. Aber er mußte denken: »Gebe ich jetzt den Steinsetzern nach, streiken mir morgen alle Wasserarbeiter im Spülfeld.« So ließ er sich nichts merken, sondern sagte ruhig:

»Wer nicht weiter mehr mitarbeiten will, mag sich morgen früh vor Arbeitsbeginn am Maschinenschuppen einstellen. Ich werde Anweisung geben, daß dann die Strecke für einen Zug nach drüben freigehalten wird« – und ließ sich mit Bahrenfeld verbinden.


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