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Baumeister Bremer machte gar nicht den Versuch mehr, die andern Arbeiter auf Barthels Kuhfenne zu halten. Er gab einfach bekannt, daß alle Kolonnen ohne Ausnahme vorerst an dem Dammteil zwischen dem festen Lande und dem Osterley zu beschäftigen wären. Der Techniker Scholz sah ihn groß an, aber es war etwas in Bremers Blick, daß Hannes-Hannes nicht weiter zu fragen wagte.
Es war, seit der Kleidamm vom Festlande aus mit dem Spüldamm östlich des Osterley zusammengetroffen war, ein kleines Schmalspurgleis auch auf den gespülten Damm vorgetrieben. Darauf ließ Bremer nun auch Klei in Trockenförderung vom Festland her zum Osterley bringen, suchte dadurch die äußerste Dammspitze vor allem zu festigen, denn das Watt hatte hohen Wasserstand, und das Osterley führte eine gefährliche Strömung, die breithin fegend alles mitriß, was nicht eigenen Halt hatte. Aber Bremer ließ Scholz die Arbeit ausführen. Er selbst saß im Büro und rechnete.
Der Dollar stieg in dieser Woche von der fünften zur sechsten, von der sechsten zur siebenten Million. Der Himmel sank immer tiefer auf die Erde herab. Unaufhörlich lag leises Grummeln in der Luft, das sich gegen Abend zu kurzen, aber kräftigen Gewittern steigerte, verbunden mit starken Regengüssen und hohem Wasserstande, obgleich der Wind nicht einmal besonders heftig war. Am Mittwochabend ging Heinrich Bremer noch einmal allein den Damm ab. Ein Gewitter war kurz vorher über das Watt gerollt. Nun war es nach Norden hin abgezogen, aber die Luft blieb schwer und schwül. Bremer atmete mit Mühe. Wenn er hier nicht jeden Fußbreit des Geländes mit dem Tastsinn hätte erfühlen können – seine Augen hätten ihm nicht zu sagen vermocht, wo er sich befände. Vollkommen undurchsichtig lag die Nacht vor ihm. Sternenlos der Himmel, mondlos. Schwerdunkel das Vorland, das grenzenlos in die finstere Schwärze des Wattenmeeres überging. Einmal zuckte noch Wetterleuchten. Das Licht des Kampener Leuchtturms auf Sylt kämpfte kraftlos gegen die Dunkelheit, die fast etwas Körperhaftes hatte. Einmal klang der klagende Ruf eines Regenpfeifers durch die dicke Luft. Das Dröhnen der Brandung hinter Westerland lag Bremer im Ohr, ohne daß er doch hätte sagen können, ob er es in Wirklichkeit hörte, oder ob er sich etwa durch das Rauschen des eigenen erregten Blutes im Gehörgang täuschen ließe.
Nun stand er an der Spitze des Dammes, wo die Sylter heute gearbeitet hatten. Er mußte vorsichtig tastend die Kuppe umgehen, denn der frischgeschüttete Klei lag noch nicht gleichmäßig. Unter ihm rauschte das Osterley, ein tintenschwarzes Wasser in dieser dunklen Nacht. Jenseits davon lag Barthels Kuhfenne – lag der Dammteil, den er nicht mehr schützen konnte, seit die Sylter ihn im Stich gelassen. Er griff in die Tasche, holte seine kleine Laterne hervor und knipste sie an – nur um sie, beschämt ob dieses lächerlichen Beginnens, sogleich wieder auszuknipsen – es war, als ob ein Glühwürmchen gegen die Hölle anleuchten wollte. Er stand und suchte seine Blicke in diese schwarze Finsternis einzubohren. Vergebens. Nicht einmal die genaue Höhe des Wasserstandes konnte er mit den Blicken ausmachen. Er legte seinen Stock an die Dammböschung und fühlte dann mit der Hand, wie weit er naß geworden war. Dann ging er heim. Mitternacht war vorüber, als er sich auf sein Strohlager warf.