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Elisabeth Eickemeyer tanzte durch die Welt und machte sich tanzend einen Namen von gutem Klang. Ihr Bild tauchte in den illustrierten Blättern auf, immer häufiger, bis es sich endlich die erste Seite erobert hatte. Ihre Hände gaben für manches Bildnerwerk das Modell. Ein treffliches Gemälde von ihr wurde auf der Hamburger Kunstausstellung gezeigt. So glaubte sie, zu recht annehmen zu dürfen, daß Heinrich Bremer von ihr wüßte. Doch die Grenzen ihrer Welt und der Morsumer berührten sich noch nicht.

Im Sommer, da Heinrich Bremer nichts anderes dachte, als wie er das Osterley überschlagen könnte, war Elisabeth Eickemeyer aufgefordert worden, in Westerland zu tanzen, und da sie annahm, daß Morsum nur elf Kilometer hinter Westerland läge, nahm sie die Aufforderung an. Morsum aber lag immer noch etliche Jahrhunderte hinter Westerland, und so erfuhr Heinrich Bremer auch hiervon nichts. –

Bald nach dem Fest in der »Hohen Heide« siedelten Dr. Hurtig und der Baumeister Kurz wieder nach Westerland über, um während des Winters hier noch so viel Arbeit wie möglich zu leisten, da im Sommer während der Saisonmonate die Ruhe der Badegäste nicht gestört werden durfte. Es waren aber einige Kolonnen der Firma Hurtig noch auf Nösse geblieben, und da die jungen Techniker dort nicht die genügende Disziplin erreichen konnten, fuhr Bremer selbst nach Westerland hinüber, um mit den Herren ein offenes Wort zu sprechen. Er ließ den Wagen an der östlichen Schmiede und ging zu Fuß weiter. Gegen Sturm und Regen kämpfte er sich um die Straßenecken und – las plötzlich den Namen Eickemeyer. Las diesen Namen auf einem halb abgeweichten und im Winde flatternden gelben Plakatrest an der Litfaßsäule, die ihm eben im Wege stand. Freilich war's nicht mehr der ganze Name »–ckemeyer« stand da nur noch in fettem Druck. Darunter »er Kurhaussaal, abends acht Uhr pünktlich.« Aber seine Neugier war nun doch geweckt, und indem er die Firma Hurtig noch ungeschoren ließ, wanderte er nun durch das ganze leere und nasse Städtchen, studierte eine Litfaßsäule nach der andern, bis er schließlich den Text richtig beisammen hatte. Leider war es ja nun zu spät, sich noch eine Karte für Elisabeths Tanzabend am 22. August dieses Jahres zu lösen, wie ihm hier immer wieder und dringend genug geraten wurde. Aber er war gerade recht gekommen, sich einen Stachel der Unruhe ins Herz zu drücken. Der Sommer war anstrengend gewesen, keine Frage. Seit aber doch noch das Osterley überschlagen und zu guter Letzt die Ladebrücke fertig geworden war, hatte Heinrich Bremer im Augenblick nicht viel anderes mehr zu tun als abzuwarten, was die Winterstürme bringen würden. Nun er einen großen Teil der Arbeiter wieder nach dem Festland abschieben konnte, und für die Übriggebliebenen mehr als genug Aufsichtspersonal ihm zu Gebote stand – denn von den eingearbeiteten Bauführern, Werkführern, Schacht- und Maschinenmeistern mochte er nicht einen über Winter entlassen – nun lief sein Leben äußerlich etwas ruhiger dahin, und er hatte Zeit zum Denken, zum Sinnen, zum Träumen.

Das war gefährlich. Acht Tage später fand er schon wieder eine Rücksprache mit den Herren der Firma Hurtig nötig, eine persönliche Rücksprache. Fuhr wieder nach Westerland. Sah aber an all den gelben Fetzen der Litfaßsäulen stramm vorbei. Ging geradewegs zum nächsten Photographen und kaufte sich dann doch nur ein paar Ansichtskarten, die er – in den nächsten Briefkasten warf, weil er nicht wußte, was er damit anfangen sollte. Es war ein Ding, daß ihm Elisabeths lächelndes Bild aus Tondern wieder im Gehirn lebendig geworden war – es war aber ein ganz ander Ding, nach diesem oder einem ähnlichen Bilde von ihr einen leibhaftigen Photographen zu fragen.

Hiernach blieb er in Morsum. Aber der Winter war lang, und die jüngeren Herren vom Bau fanden den regierenden Herrn Baumeister nun manchmal etwas schwierig und hätten ihm von sich aus gern einen runden Urlaub gegönnt. Auch Pastor Eschels vermißte die sonst so bereitwillige Teilnahme Bremers an seinen Nöten etwas. Gondelina aber fiel's auf, daß er neuerdings der Mimi und der Mitzi nachdenklich mit seinen Blicken folgte. Freilich waren diese Blicke eben mehr nachdenklich als etwa verliebt – es lag etwas Suchendes darin, etwas wie ein schwer zu findender Vergleich, und wenn er auch gelegentlich auf ihr munteres Lachen horchte, so regte er sie doch dazu nicht an –

»Soll ich an Elisabeth schreiben – oder tu ich's lieber nicht?« dachte Heinrich Bremer. Schrieb ihr einen Brief nach dem andern, doch nicht auf dem Papier, sondern nur in seinen Gedanken.


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