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Die Industrie des Ruhrgebietes erlag dem andauernden Druck. Der passive Widerstand brach zusammen. Der Micumvertrag wurde unterzeichnet – ein zweites Versailles.

Auch die alte deutsche Mark, die Papiermark, brach nun vollständig zusammen. Baumeister Bremer mußte eine Arbeiterkolonne nach der andern entlassen, weil ihm nicht mehr genug Geld für die Besoldung geliefert werden konnte, dadurch verzögerten sich die Aufräumungsarbeiten noch immer mehr. Wenn er aber die Leute abziehen sah, die doch alle gehofft hatten, einem arbeitsreichen Winter entgegenzugehen, dann lag ihm wieder der Klang im Ohr: »Schlagt den Kerl doch einfach tot – untüchtig ist er, untauglich!« Und er mußte an sich halten, daß er sie nicht zurückrief, um sie aus eigener Tasche zu besolden – aber seine Tasche war leer.

Die Schlepper hatten Bagger und Schuten, Spüler und Spülgeräte, alles schwimmende Material nach Husum abgeschleppt. Nachdem Bremer die große Ramme von Barthels Kuhfenne geborgen, übernahm die tägliche Flut dort das weitere Aufräumen. Im November schon lag die Sandbank wieder, wie sie vor Beginn des Baues gelegen, eine sanfte Erhöhung, ein Tummelplatz der Rottgänse und anderer Herbstvögel – ohne irgendeine Spur von menschlicher Einwirkung. Auch von dem Spüldamm östlich des Osterley waren nunmehr nur noch spärliche Reste zu finden. Einzig der Kleidamm hatte gehalten – und gut gehalten, soweit er über dem festen Vorland noch gepflastert gewesen war. Ihn ließ Heinrich Bremer von neuem schütten und festigen, mit Grassoden decken und seine Böschungen auch weiterhin pflastern. Als er so weit war, entließ er auch die Sylter und räumte dann noch den großen Lagerplatz binnendeichs mit den Wiedinghardern allein auf; von ihnen sollte eine Zehntkolonne als Wächter den ganzen Winter über hier bleiben. –

Diese Arbeiten zogen sich bis weit in den Dezember hinein. Inzwischen aber wurde Heinrich Bremer vom »Neubauamt Dammbau Sylt« in Husum angefordert. So wußte er wenigstens, wo er den Winter über bleiben konnte. Was danach kam? Niemand dachte mehr über die nächsten Monate hinaus. Er hatte auch schon einmal sein Gehalt in Rentenmark ausgezahlt bekommen, hatte auch in der Zeitung gelesen, daß diese Rentenmark nicht auf Goldwährung aufgebaut wäre, sondern auf den Werten der deutschen Wirtschaft. Aber sein schmerzender Kopf erlaubte ihm nicht, sich über diese Dinge wirklich klarzuwerden; er sah und beschaute die bunten Bilderchen und freute sich, daß diese Mark drei Wochen später wirklich noch die gleiche Mark war.

Dann kam der Reichswährungskommissar. Rücksichtslos stellte er den Kurs der Papiermark im Inland den Weltmarktkursen gleich. Nahm den Dollarkurs darüber hinaus auf 4,2 Billionen an und legte gleichzeitig die Notenpresse still. In Neuyork stieg der Dollar auf 5, auf 6, auf 7 Billionen, in Köln bis auf 11. Aber diese Spekulation starb daran, daß die Zahlungsmittel dafür fehlten. Das Reich begab keine Schatzanweisungen. Die Reichsbanknoten flossen spärlich nur und scharf kontrolliert in den Verkehr. Die Rentenmark durfte nicht an Ausländer abgegeben werden. So ging der Dollarkurs wieder zurück, stand am 3. Dezember in Neuyork, am 10. in Köln gleich dem Berliner auf 4,2 Billionen Papiermark. Dadurch wurden Devisen wieder frei, die Reichsbank konnte wieder kaufen – hier war ein erster bedeutender Schritt seit Kriegsende errungen.

Heinrich Bremer begriff von alledem nur: Deutschland läßt noch nicht den Spaten im Deich stecken! Deutschland gibt sich selbst nicht auf.


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