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Acht Tage später aber wußte außer Heinrich Bremer und den Eschels kaum einer mehr etwas von Martin Eickemeyer. Er wurde im Arbeitsgetriebe schnell genug vergessen, am schnellsten von Steinhof, der kein Prinzipienreiter war, seine Arbeiter ja auch nicht um irgendeines Prinzips willen »kniebelte«, sondern einfach, weil seine eigene gewaltige Lebenskraft ihn von andern fordern ließ, was er selbst mit Freuden leistete. Die Tafelwehre überm Alten Sylter Ley und überm Holländer Loch wurden nun mit vorbereiteten Tafeln dicht gesetzt und mit Steinschüttungen stark versichert, was bei diesem frostig kühlen und stillen Wetter keine Schwierigkeiten bot; es wirkte nun auch jedes Tief nur noch für sich selbst und keins verstärkte das andere. Nicht einmal das Holländer Loch wehrte sich noch in bedenklicher Art.
Und dann begann in diesem Frühjahr, was eigentlich der interessanteste, weil am schnellsten fördernde Teil der Dammbauarbeiten war: das Setzen der Buschwände und Einspülen der Dammsohle im großen. Hinter der Spundwand arbeitete sich's gut im seichten und fast ganz unbewegten Wasser. Den Arbeitern, die hier die Buschlahnungen setzten, folgten die Rohrleitungen der Spüler, die den groben Kies der weiteren Wattengründe mit ungeheurer Geschwindigkeit und nicht minder ungeheurem Lärm direkt vom Bagger aus zwischen die Buschwände spülten. Auf diese gut 50 Meter breite Sohle sollten dann die tonigen Massen aufgespült werden, doch mußte hier schon bald zum Trockenbetrieb übergegangen werden, weil der Ton in der Spülung versagte. Bremer ließ noch größere Bagger kommen und wieder stärkere Spülgeräte, setzte die Höchstgrenze für den Kies noch um einen halben Meter höher, so daß er damit allein schon die Höhe der Spundwand erreichte. Deckte ihn mit dem Sand der Morsumer Heide, der im Trockenbetrieb aus der Bahnschlucht gewonnen wurde, und legte diesem dann Ton auf, reinen Ton, trocken gefördert, eingewaschen und endlich stark geschlagen, so daß er steinhart wurde.
Den Erdarbeitern folgten die rheinischen Steinsetzer, die nun die Böschungen der Dammsohle mit Basaltsäulen pflasterten; den Steinsetzern die Sodenleger, die endlich die oberste Kuppe mit den Grassoden deckten, die drüben aus dem Wiedingharder Vorlande gewonnen wurden. Es arbeiteten am Einschnitt des Morsumer Höhenrückens drei Trockenbagger und draußen im Watt sechs schwimmende Eimerbagger und zwei große Schutenbagger. Es liefen unaufhörlich Material- und Arbeiterzüge auf der Spundwand hin und her, denn nun konnte alles Material, das auf der Insel gebraucht wurde, direkt vom Festland herbefördert werden, ohne den Umweg übers Wasser, die Ladebrücke war entbehrlich geworden. Es arbeiteten auf der 11 Kilometer langen Strecke im Watt und der ebenso langen auf der Insel insgesamt 1500 Menschen vom ersten Morgengrauen bis in die sinkende Dämmerung und beim Schein der Magnesiumfackeln die ganze Nacht hindurch – Tag- und Nachtschichten wurden doppelt besetzt. Den ganzen Damm entlang, entlang der Gleisstrecke über die Insel an Archsum, Keitum, Tinnum vorbei leuchteten die blendenden Lichtpünktchen der Magnesiumfackeln und sammelten sich endlich am Schlußpunkt der Strecke, dem Westerländer Bahnhof, als wäre hier die Milchstraße vom Himmel gefallen – blieb das Wetter nur dies eine Jahr hindurch noch günstig, so konnte man bei diesem Betrieb ein ganzes Arbeitsjahr einsparen. Und der Reichsbahn lag alles daran, dies zu erreichen, erreichte es endlich auch. Bei alledem aber keimte in Heinrich Bremer ein leises Gefühl der Ernüchterung, wuchs und nahm zu. Er wurde undankbar – ein Sturm, mit dem er einen schweren Kampf hätte aufnehmen müssen, wäre ihm fast willkommener gewesen. Aber wenn das Wetter auch kalt, grau und trübe blieb, das ganze Frühjahr hindurch und sich gegen den Sommer hin nicht viel anders anließ – die Nacht, die er auf der Bahn zwischen Hamburg und Flensburg verlebt hatte, war doch die schlimmste dieses Jahres gewesen und blieb es vorderhand auch.
»Das Wetter könnte gar nicht günstiger sein!« frohlockte Pastor Eschels. Aber Heinrich Bremer war nun doch schon so weit Sylter geworden, daß er nur mürrisch erwiderte:
»Ich kann beim besten Willen nicht klagen.«