Christoph Martin Wieland
Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit
Christoph Martin Wieland

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7.

Ob der Priester Abulfauaris Recht gehabt habe, sich hinter diesem subtilen Trostgrunde vor den Vorwürfen sicher zu halten, welche ihm ein Sachwalter der Unschuld der armen Negern zu machen berechtiget war, ist eine Frage, die der besagte Anwalt, wenn er nicht ganz ungeschickt wäre, ungefähr also auflösen würde:

»Die Frage: – Ist es einem Volke besser, die Tugend auszuüben, ohne sie und das Gegentheil von ihr zu kennen? – oder, ist es diesem Volke besser, mit den Reitzungen zum Laster bekannt gemacht zu werden, damit es die Tugend aus Wahl und Überzeugung ausüben lerne?

»Diese Frage, meine Herren, scheint mit der folgenden einerley zu seyn: – Ist es besser, gesund zu seyn, ohne zu wissen daß man gesund ist, und wie man es anfangen müßte um krank zu werden, – oder sich krank zu machen, damit man den Werth der Gesundheit desto besser schätzen lerne?

»Gesundheit ist der natürliche Zustand des fysischen, Unschuld der Sitten die Gesundheit des moralischen Menschen, und Glückseligkeit die gemeinschaftliche Frucht von beiden.

»Lasset dem unwissenden Glücklichen seine glückliche Unwissenheit! Lasset sie ihm so lang' er sie behalten kann; so lange, bis er in Gefahr ist, durch diese Unwissenheit unglücklich zu werden. Wozu hatten die Negern eure Röcke und Mäntelchen vonnöthen? Sie waren unschuldig, und hätten es ohne die Geschenke des ehrwürdigen Priesters vielleicht noch lange bleiben mögen!«

Vielleicht auch nicht! –

»Gut: so hätte er den Fall abwarten sollen. Wer wird einem Gesunden Arzney für eine Krankheit eingeben, die er nicht hat, in Hoffnung, daß sie ihre Wirkung thun werde, wenn er sie künftig einmahl bekommen sollte?«


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