Christoph Martin Wieland
Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit
Christoph Martin Wieland

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8.

Gesetzt nun, die Natur habe in den ersten Zeiten unsrer Welt lauter Menschen von diesem Schlage, oder wenigstens viele dergleichen hervorgebracht: mit welchem Grunde kann man sagen, sie habe in der Folge die Kraft verloren, ihres gleichen hervorzubringen? Wie sehr weit sind Herkules und Karl der Große der Zeit nach von einander! – Oder, wollte man einwenden, dieß wären einzelne außerordentliche Männer gewesen: hatte Herkules nicht seinen Theseus und Peirithoos? Waren nicht die Argonauten seine Spießgesellen? Hatte Karl nicht seine Pairs, seinen Roland, und so weiter? Sie waren die ersten unter ihren Pairs, wie Achill unter den Helden der Griechen; aber ihre Pairs waren keine gemeinen Menschen. – Und finden wir nicht, noch auf diesen Tag, bey den ungebändigten Völkern Asiens und der neuen Welt die ganze Anlage, ja selbst einen großen Theil der Eigenschaften und Tugenden der heroischen Zeiten? die großen Körper, die Stärke und Behendigkeit, die Duldsamkeit, den Muth, die Treuherzigkeit, die zu Tacitus Zeiten das Eigenthum der Germanen und andrer Nordischen Völker waren? Die edelsten unter den Westindischen Horden und Stämmen sind uns noch wenig bekannt: aber was für eine Anlage entdeckt sich, zum Beyspiel, schon in dem wenigen, was uns Kook von den Neuseeländern erzählen kann! – Ihre Zeit ist noch nicht gekommen. Denn, nach der Analogie zu urtheilen, geht ein unvollkommner Stand der Wildheit vor dem heroischen Zeitalter eines Volks vorher: weil zu diesem schon ein gewisser höherer Grad von Entwicklung und Ausbildung, ein gewisser Fortgang der Kriegskünste, und eine weniger dürftige Lebensart gehört. Ihre Zeit ist also noch nicht gekommen. Aber warum sollte sie nicht endlich eben so wohl kommen als die Zeit der alten Pelasger, Iberier, Germanen und Britten, – und (auf der andern Seite des Erdbodens) der Saracenen, der Türken, der Mongolen Zeit gekommen ist?


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