Christoph Martin Wieland
Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit
Christoph Martin Wieland

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27.

Er war vor Aufgang der Sonne von seinem zum ersten Mahl schlaflosen Lager aufgestanden, und ging so weit ihn seine Füße trugen, – um in andern Gegenden Menschen zu suchen, bey denen er die ungetreue Kikequetzel vergessen könnte. Ungern und traurig verließ er die Hütten die er selbst aufgerichtet, die Gärten die er mit eigner Hand gepflanzt, die Lauben von Schasmin und Akacia die er über rieselnde Quellen her gewölbt hatte, – und die Kinder zu denen er Vater war. Aber ein sehnliches Verlangen sich zu rächen erhitzte seine Lebensgeister; er hoffte Gehülfen zu finden, mit deren Beistand er den Mann, der ihm seine Frau und seine Pflanzstätte vorenthielt, wieder vertreiben könnte.

Wir übergehen die besondern Umstände seiner langen Wanderungen, weil sie nicht zu unserm Vorhaben gehören. Genug, er fand endlich zu seinem großen Troste in einer Höhle, worin er einsmahls übernachten wollte, zwey Mädchen, von denen die älteste nicht über zwanzig zu seyn schien, welche ihm in seiner eigenen Sprache Antwort gaben, und nicht daran dachten, die Freude, zu welcher sie nach der ersten Bestürzung über seinen Anblick übergingen, vor ihm zu verbergen. Die seinige verminderte sich ein wenig, als bald darauf eine Frau von ungefähr vierzig Jahren in die Höhle trat, welche, man weiß nicht eigentlich ob die Mutter oder die Tante der jungen Nymfen war. Sie war von der Klasse der Penthesileen, groß und stark von Gliedern, mit einer Tigerhaut angethan, und mit einer Keule auf der Schulter, die ihr von ferne das Ansehen einer verkleideten Dejanira gab – in den Augen eines Antiquars nehmlich; denn Koxkox bemerkte weiter nichts als daß sie sich selber glich, und die Miene hatte es in allen Arten von Zweykampf nicht wohlfeil zu geben.

Wie dem auch seyn mochte, ein Mann, und ein so feiner Mann wie Koxkox zu seyn schien, war dieser kleinen weiblichen Gesellschaft unendlich willkommen; man bemühte sich um die Wette, ihn durch die freundlichste Begegnung davon zu überzeugen, und Koxkox fand, wir wissen nicht wie, Mittel und Wege, die Tante und die Nichten über die Annehmlichkeiten seiner Gesellschaft gleich vergnügt zu machen.

Nichts desto weniger hatte dieser glückliche Zustand nur wenige Wochen angedauert, als Koxkox anfing sich in seine vorige Heimath und zu seiner noch immer geliebten Kikequetzel zurück zu sehnen, die bey der Vergleichung, welche er sich nicht enthalten konnte zwischen ihr und diesen drey Waldnymfen anzustellen, von Tag zu Tag mehr gewann. Sein Herz schmeichelte ihm, daß sie sich vielleicht eben so sehr nach seiner Zurückkunft sehne; und er hoffte den mächtigen Tlaquatzin ohne große Mühe zum Tausch einer einzigen Frau gegen ihrer drey zu bewegen, zumahl da die Tante im Nothfall für zwey gelten konnte. Er säumte also nicht, seinen Freundinnen zu eröffnen, daß noch mehr Personen von seinem und ihrem Geschlechte das Glück gehabt hätten der großen Flut zu entgehen; daß er den Weg zu ihrer Wohnung wisse; daß diese Leute sehr willig seyn würden, sie in ihre Gesellschaft aufzunehmen; und daß sie dort viele kleine Annehmlichkeiten des Lebens finden würden, deren sie bisher hätten ermangeln müssen. Man hatte nicht das mindeste gegen seinen Vorschlag einzuwenden; und schon des nächsten Tages mit Anbruch der Morgenröthe waren die drey Schönen reisefertig, um mit ihm in ein Land zu ziehen, wo es – mehr Männer gab.


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