Christoph Martin Wieland
Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit
Christoph Martin Wieland

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18.

Bey allem dem halten wir uns versichert, daß die Geschöpfe des Prometheus nach und nach um ihre ursprüngliche Einfalt und Unschuld gekommen seyn würden, wenn gleich Pandora und ihre Büchse nur gewesen wären; – und in der That, man mußte so sehr in sein eignes Werk verliebt seyn als Er es war, um nicht zu sehen wo der Fehler lag.

Geschöpfe, deren Unschuld und Glückseligkeit von ihrer Unwissenheit abhängt, – wie er von den seinigen selbst gesteht – befinden sich immer in einer sehr unsichern Lage; und alles wohl überlegt, war es kein großer Schade, daß die ganze Zucht einer so zerbrechlichen Art von belebter und beseelter Töpferarbeit in Deukalions Überschwemmung ersäuft wurde.

Ernsthaft von einer ernsthaften Sache zu reden, – die Filosofen, Sofisten, Redner, oder wie sie sich sonst am liebsten nennen hören, welche uns bereden wollen, daß –

»die Entfernung von der ersten Einfalt der Natur – Entfernung von der Natur selbst sey;

»daß es der Natur gemäß gewesen wäre, wenn wir immer in einem Zustande von glücklicher Unwissenheit, wie sie es nennen, geblieben wären;

»daß die Erweiterung unsrer Bedürfnisse die Mutter unserer Laster, – und

»der Genuß aller Geschenke der Natur, und die Verfeinerung aller Künste dasjenige sey, was den Untergang der Staaten am meisten befördre:«

Die Herren, welche so reden, sprechen entweder von Menschen aus der Fabrik des Prometheus – oder von Menschen, welche, wie Jupiters Minerva, aus ihrem eigenen Gehirne hervorgegangen, – oder wenn diese Behauptungen den wirklichen Erdebewohnern gelten sollen, so werden sie uns erlauben zu sagen, daß sie die menschliche Natur, von der sie so viel reden, nicht besser zu kennen scheinen, als die Natur der Einwohner in Saturns Ringe.

Unstreitig giebt es einzelne Menschen, welche wohl daran thun, wenn sie wie Diogenes oder Epiktet leben lernen.

Es giebt Fälle, wo ein allgemeiner Geist von Sparsamkeit einem ganzen Staat eine Zeit lang nützlich ist.

Es giebt Fälle, wo ein Fürst sehr zu loben ist, wenn er, wie Kaiser Markus Aurelius, sein Gold- und Silbergeschirr in die Münze schickt, um sein Kriegsheer damit zu bezahlen.

Aber alle diese Fälle sind bloße Ausnahmen, und es bleibt darum nicht weniger wahr:

»Daß die möglichste Benutzung des Erdbodens und die möglichste Vervollkommnung und Verschönerung des menschlichen Lebens das große Ziel aller Bestrebungen, welche die Natur in den Menschen gelegt hat, und also im Grunde der Natur eben so gemäß sey, als die Einfalt, in so fern diese eine unzertrennliche Gefährtin der ersten Periode des Lebens bey der ganzen Gattung so wie bey dem einzelnen Menschen ist.«


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