Christoph Martin Wieland
Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit
Christoph Martin Wieland

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5.

Ungeachtet Rousseau sich gleich Anfangs erklärt, daß es bey Untersuchung der akademischen Frage, über welche er schreibt, gar nicht auf Thatsachen ankomme: so scheint er doch in der Folge das Unschickliche davon selbst empfunden zu haben, und beruft sich daher einigemahl auf die Hottentotten, die Karaiben und die wilden Indier in Nordamerika; wiewohl in der That niemahls, wo es auf Befestigung der Hauptsätze seines Systems ankommt. Was hätten sie ihm auch dazu helfen können? Keine einzige von allen diesen kleinen Völkerschaften, die man Wilde nennt, befindet sich in diesem viehischen Stande, den er zu unserm ursprünglichen macht. Sie leben alle in einer Art von Gesellschaft; sie kennen Freundschaft, eheliche und älterliche Liebe; sie sind nicht ohne alle Kunst; und es ist mehr als zu wahrscheinlich, daß sie erst durch das unmenschliche Verfahren der Kastilianer in eine gewisse Wildheit hinein geschreckt worden sind, die ihnen nicht natürlich war.

Aber gesetzt auch, die Wildheit aller dieser wirklichen oder fabelhaften Wilden, wovon man uns so viel wunderliche Dinge erzählt, von den Kyklopen des alten Vater Homer bis zu den Kaliforniern des Vater Venegas, wäre noch ein wenig größer als sie beschrieben wird: was könnte damit bewiesen werden, als daß »Menschen zufälliger Weise sehr nahe zu den Thieren herunter sinken können, und daß, wenn es einmahl so weit mit ihnen gekommen ist, ein Zusammenfluß vieler günstiger Umstände erfordert wird, um die Menschheit wieder bey ihnen herzustellen?« – und wem ist jemahls eingefallen hieran zu zweifeln?


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