Christoph Martin Wieland
Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit
Christoph Martin Wieland

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5.

Koxkox gerieth einst, indem er mit seinem Papagay auf der Hand spazieren ging, in eine Gegend, wohin er noch nie gekommen war, – und da fand er unter einem Rosenstrauche – ein Mädchen schlafen, von dessen Anblick er auf der Stelle so entzückt wurde, daß er eine gute Weile nicht im Stande gewesen wäre, zu sagen ob er wache oder träume.

Den Rosenstrauch ausgenommen, – denn ich sehe nicht, warum es nicht eben so wohl ein Balsamstrauch oder ein Rosinenstrauch oder ein Kokospflaumstrauch hätte gewesen seyn mögen – scheint in dieser Geschichte, wenigstens bis hierher, nichts zu seyn, was der Wahrheit der Natur nicht vollkommen gemäß wäre.

Die Entzückung des armen Koxkox endigte sich mit einem Schauer, der alle seine Glieder durchfuhr, und auf welchen eben so schnell ein Strom von geistigem Feuer folgte, der aus seinem Herzen sich in einem Augenblick durch sein ganzes Wesen ergoß, und jedes unsichtbare Fäserchen davon elektrisch machte. Das Mädchen däuchte ihm das lieblichste unter allen Dingen, die jemahls bei Tageslicht oder Mondschein vor seine Augen gekommen waren.

Die ernsthaften Leute, welche ihm dieses übel nehmen, sollten (wie Tlantlaquakapatli sagt) bedenken, daß er seit mehr als sechs und dreyßig Monden nichts als Papagayen, Truthühner, Schlangen, Affen und Ameisenbären gesehen hatte.

Diese Entschuldigung (wofern es einer Entschuldigung bedurfte) scheint sehr gründlich zu seyn. Gleichwohl aber erklären wir hiermit und kraft dieses, daß wir, aus billiger Rücksicht auf unsre schönen Leserinnen, an derselben keinen Antheil nehmen.


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