Christoph Martin Wieland
Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit
Christoph Martin Wieland

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7.

Übrigens können wir nicht unbemerkt lassen, daß, ungeachtet Moore unsers Wissens ein sehr ehrlicher Mann, ein Mann von sehr gesunder Vernunft, und (was hier allerdings in Betracht kommt) weder Filosof noch Dichter, und also von allen diesen Seiten ein sehr glaubwürdiger Mann ist, – dennoch seine Nachrichten von den Foleys noch lange nicht so vollständig und befriedigend sind, als sie seyn sollten, um ein richtiges Urtheil von diesem Völkchen festsetzen zu können. Eine ungeschmückte Einfalt empfiehlt und beglaubigt seine Erzählung beym ersten Lesen; aber beym zweyten hat man so viele Fragen zu thun, und erhält so wenig Antworten auf diese Fragen, daß man am Ende nicht halb so zufrieden mit ihm bleibt, als man es Anfangs war.

Dieß ist der Fall der allermeisten von diesen großen Wandersmännern. Man sieht es ihren Nachrichten und Erzählungen nur gar zu sehr an, daß sie an nichts weniger gedacht haben, als daß sie zu einem andern Gebrauch, als zur Zeitkürzung ihrer Leser, oder höchstens zu handelschaftlichen Aussichten, würden angewendet werden.

Hier wäre gleich der Fall, wo es seht gut seyn würde, wenn man mit seinen eigenen Augen sehen könnte. Das Wunderbare gewinnt selten bey einer genau prüfenden Beobachtung.

Gesetzt aber auch, wir fänden die Foleys in allen Stücken so, wie sie uns Moore schildert, so würde es doch dabey bleiben, daß dieses Völkchen vor den meisten übrigen Völkern nichts voraus hat, was es nicht vielmehr einem glücklichen Zufall als seiner Klugheit und Tugend zu danken hätte.

Gastfreyheit und Leutseligkeit gegen Freunde und Nothleidende sind auf dem ganzen Erdboden Züge, welche diejenige Klasse von Menschen bezeichnen, die von Viehzucht und Ackerbau in einigem Grade von Wohlstand leben.

Eben dieß gilt überhaupt von der Unschuld der Sitten, welche man uns von den Foleys anpreist. Diese ist allenthalben, wo Unterdrückung und Elend die Menschheit nicht zu einem Zustande, gegen den der viehische beneidenswürdig ist, herab gewürdigt hat, – verhältnißweise auf dem Lande viel größer als in den Städten.

Moore giebt zu verstehen, daß es auch unter seinen Foleys Leute giebt, welche zuweilen Böses thun. Freylich in geringerer Anzahl; – weil es in einer kleinen Gesellschaft nicht so viel böse Leute geben kann als in einer großen; und weil eine Menge Laster, welche in der letztern, unter gewissen Umständen, nicht gänzlich ausgerottet werden können oder wohl gar geduldet werden müssen, in jener nicht einmahl moralisch möglich sind.

Im übrigen ist es seht glücklich für die guten Foleys, daß sie ringsum von schwachen, trägen und wenig unternehmenden Völkern umgeben sind, die überdieß mehr dabey zu gewinnen haben, wenn sie ihnen eine Art von Freyheit lassen, als wenn sie versuchen wollten sie zu Sklaven zu machen. Sollte das letztere einmahl irgend einem Könige im Negerlande einfallen, so würde ein so kleines Volk unfehlbar entweder auf einmahl unterdrückt, oder durch seinen Widerstand selbst nach und nach aufgerieben werden. Ihre Sicherheit ist also bloß zufällig; und was ist Glückseligkeit ohne Sicherheit? – In diesem Augenblicke vielleicht, da wir von ihnen reden, sind sie nicht mehr!


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