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(111) Wie Unfallo gehenkt ward.

Am Morgen ward Unfallo gefûrt
An die Richtstatt, wie sich gebüert,
Dann er hett in Untreu vollbracht
Sein Zeit und vil Haders gemacht.
Damit das Urteil wurd vollzogen
Und fürt von im niemands betrogen,
Richt sich der Nachrichter und wollt
Unfallo henken, als er sollt.
Unfallo dacht mit Fleiß sein End,
Sprach: »Wie bin ich in dem Elend!
Nachrichter, ich bitte dich, beit,
Ich will reden eine kleine Zeit.«
Der Nachrichter gonnt im das wol.
Unfallo sprach: »Dieweil ich soll
Sterben, will ich mich beklagen
Meiner Sünd und die offen sagen
Und dardurch mein Seel bewaren,
Damit si mög zů Gott faren.
Ich hab den Tod gar wol verschuld,
Darumb so beger ich kein Huld
An meinem Leib und dem Lebn.
Doch will ich euch zuvor geben,

Ee ich stirb, ein fast nütze Leer:
Ich bitt euch, daß sich keiner ker
An mich, den man Unfallo nennt,
Dann selten nimbts ein gůtes End,
Der Der: wenn einer. all Sachen will fahen an
Und zůvor darauf nicht Achtung han,
Ob darin mag zůhanden gan
Ein Unfall; dann gar kein Mensch mag
Wissen, wie derselb sich anschlag.
Keiner well sichs mer understan,
Solich Sach dem Helden nachzůtan,
Dann sollt eim zůsteen sovil Unfall
Als im, er wer zů tausendmal
Beschediget oder gar tot.
Welcher nun nit folgt meinem Rat,
Gen dem will ich embrochen embrochen: freigesprochen, der Klage entledigt. sein.«
Damit trat er hin zů der Pein.
Als er zůhöchst an die Leiter kam,
Der Nachrichter her den Strick nam,
Hieng den Unfallo beim Hals dran.
Also die unfallisch Sach gewann
Ein End, wie im Urteil ist bestimbt
Und man in Gerichtshandel findt.


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