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(71) Wie den Teurdank ein geschoßner Gembs aus einer
Wand sollt geworfen haben.

Unfallo aus eim falschen Tück
Wollt versůchen weiter sein Glück
Mit Teurdank, dem teuren Held wert.
Auf ein Zeit er an in begert,
Ob im liebt nach Gembsen steigen,
So wollt er im der vil zeigen
Und lernen ein neue Monier,
Wie man schuß dieselbigen Tier
Zůtod aus den hohen Wenden.
Teurdank der sprach: »So tüet senden
Nach dem, das gehöret darzů,
Und secht mir auf, wie ich im tů.«
Unfallo das allein darumb tet,
Dann er wisset, daß ein Gembs hett
Gar hoch in derselbigen Wand
Einen gar fast sorglichen Stand;
Und mit nicht wol müglichen was,
Welcher den Gembsen trafe, daß
Er nit fiel gleich auf in herab
Und schlůg in mit im überab.
Als nun all Sach waren bereit,
Unfallo saß auf sein Pferd, reit
Mit Teurdank, dem teurlichen Mann,
Bis an das Birg. Darauf můßten si gan,
Dann dahin nicht zů reiten was.
Der Gembs noch hett hoch seinen Stand,
Wie er an im dann was gewandt,
Sprach zům Helden: »Herr, nemet war
Und secht dort in die Klammen Klammen: Schlucht. dar,
Da steet ein freier Gembs gar stolz;
Schlacht Schlacht: schlagt. auf Eur Armbrost einen Bolz
Und schießt in herab mit zu Tod.«
Teurdank sprach: »Spannts Armbrost und lat
Mich mit dem Gembsen neur machen!«
Indem redt zů solchen Sachen
Des teuren Helds getreuer Knecht,
Sprach: »Herr, ich bitt, vernembt mich recht
Und schießt in keinen Weg das Tier,
Dann trefft Ir das, so seien wir
Alle des Tods. Des mügt Ir nit
Verkommen, wir müessen auch mit
Im fallen den Berg überab,
Dann unser keiner hat kein Hab.«
Unfallo zů dem Helden sprach:
»Herr, nicht laßt darumb dise Sach
Underwegen, dann welcher wollt
Wissen, daß der Gembs gleich sollt
Auf uns herab fallen eben?«
Teurdank hieß im das Armbrost geben.
Alsbald Unfallo ersach das,
Stund er an ein Ort, da er was
Sicher und gar wol behûtet.
Teurdank zum Gembsen ein Schuß tet
Und schoß in gleich durch sein Herz aus,
Darvon der Gembs mit großem Saus
Fiel herab gerad gegen dem Held,
Als wollt er si haben gefellt
Mit sambt im aus derselben Wand.
Aber Gott im sein Hilfe sandt,
Daß der Gembs rüert ein Stein im Fall,
Darvon er zunechst über si all
Aus fiel und keinen Menschen rurt,
Darbei man das groß Gelück spurt,
So Teurdank hett zů aller Zeit.
Es felt nicht umb ein Klafter weit,
Der Gembs auf si gefallen wer,
Hett si geworfen hinab mer
Dann hundert Klafter in ein Tal.
Unfallo, als er sach den Fall,
Sprach er zům Helden unverzagt:
»Herr, wir han ein groß Sach gewagt.
Ich bin fro, daß wir sein genesen;
All mein Tag bin ich nie gwesen
In solcher Angst und großen Not.«
Teurdank sprach: »Mein Diener der hat
Uns das weisgesaget voran.«
Unfallo der sprach: »Wer wollt han
Gelaubet, daß der Gembs daher
Zů uns geleich gefallen wer?
Aber es ist geraten wol,
Darumb ein jeder aus uns soll
Gott dankbar sein aus Innigkeit,
Daß er uns von der Angst und Leid
Hat erledigt zů diser Stund.«
Unfallo sich gleich stellen kunnt,
Als wer er auch in diser Far
Gestanden, das doch glogen war,
Dann er an ein sicher Ort was
Gangen, aber Teurdank hett das
Von ime nicht acht genommen.
Unfallo sprach: »Es ist kommen
Die Zeit, daß wir geen heim zůhaus,
Dann nun zůmal das Jeid ist aus.«
Stellt sich, als ob er frölich wer,
Aber heimlichen er nit mer
Begert, dann daß im und seim Knecht
Das Tier hett getroffen recht.
Dann das war im sein höchste Pein,
Den Helden zů sehen vor sein
Frisch, wolmügend und auch gesund,
Darumb er sich fort understund,
Dem Held ein ander Gferlicheit
Zů füegen, als Euch das Bůch seit.


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