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(86) Wie der edel, milt Held Teurdank in seiner
Kammer ermordt sein sollt.

Neidelhart zu dem Helden trat
In sein Gemach an eim Abend spat,
Sprach im mit Worten also zu:
»Herr, schlaft heinacht mit gůter Rů,
Dann ich hab die vorigen Nacht
Mein Schlaf mit gůter Rů vollbracht,
Darumb so will ich heint fürwar
Auch wachen, wie Ir habt hievor
All Sach bestellet und getan.«
Der Held dasselb zů Dank nam an
Und legt sich schlafen in sein Bett.
Der Neidelhart vor bestellt hett
Etlich Morder mit barem Geld;
Dieselben in der Nacht den Held
Sollten ermorden, ee es tagt.
Das hetten si im zů gesagt,
Dann Neidelhart weßt vorhin, daß
Der Held ganz mûd und hellig hellig: matt. was,
Darumb wurd er schlafen on Sorgen.
Als es nun gieng gen dem Morgen,
Wollten die Morder understan,
Den Mord zů tůn, begunden gan
Für die Kammer, namen herfür
Iren Zeug, brachen an der Tür.
Nun hett der Held die Gewonheit,
Daß er sich nimmer schlafen leit,
Er hett zůvor die Tür versperrt,
Verschlossen und verrigelt hert;
Sein eigen Herz im solches seit.
Die Morder hetten iren Bescheid
Und waren an die Tür gericht,
Si mochten die aufgewinnen nicht,
Die Tür was also wol verwart.
Alsbald der Held das am Bett hort,
Bedacht er sich darauf nit lang,
Sonder behend aus dem Bett sprang
Und zuckt sein gůtes Schwert herfür.
Die Morder hortens vor der Tür
Und erschraken darab gar seer.
Als si merkten, daß er sein Weer
Hett, hůben sich gar bald darvon,
Besorgten seer den teuren Mann,
Dann si wußten alle wol, daß
Der Held ganz unerschrocken was.
Sollten dann die Knecht sein erwacht,
Si hettens umb ir Leben bracht.
Als si nun waren weg kommen
Und der Held das hett vernommen,
Versperrt er sein Tür noch vil baß.
Darnach er noch ein Weil auf was,
Zůletzt legt er sich an sein Rů.
Er schlief nit vil, des Morgens frů,
Als es schir wollte werden Tag,
Do gieng er aus seinem Gemach
Und saget dem Neidelhart das,
Wie es im heint ergangen was.
Der Neidelhart desgleichen tett,
Als ob er des kein Wissen hett,
Sprach: »Herr, fast groß Wunder ich han,
Wer doch solchs nur müg han getan!
Ich gelaub bei meiner Selen,
Es seind Leut, die wollten stelen,
Dann hie gar viel seltzams Volks ist,
Treiben manichen bösen List.«
Mit disen Worten also frei
Verdeckt er sein Verreterei,
Auch böse List und arge Fund,
Daß der Held solchs nit merken kunnt.


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