Ludwig I. von Bayern
Gedichte
Ludwig I. von Bayern

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VIII. Chor.

Wohl dem, der in der Blüthe des Lebens
Fühlet des Irdischen Nichtigkeit schon,
Ihm nicht verrinnen die Tage vergebens,
Er wird genießen den ewigen Lohn.
Auch der Fels, der Riese der Schöpfung,
Welcher trägt das glänzende Haus,
Vieler Jahre benöthigtes Werk,
Auszudauern scheint es der Zeit,
Stürzt schnell in die verschlingende Fluth,
Wenn es der Mensch am wenigsten denkt.

Lieblich duftet am Morgen die Rose,
Die erwählt von der Göttin der Liebe,
Himmlischer Anmuth, entzückender Pracht;
Doch das wonnerfüllte Getriebe
Sinket der Erde verwelkt in den Schooß;
Dieses ist des Irdischen Loos,
Das, um zu sterben, in's Leben erwacht.
So das Kleine, und so auch das Große.
Frühe verlöschet das Schönste! Die holde
Sängerin frühlingsgrünender Haine,
Der in Milde der labenden Nacht,
In des Mondes ruhigem Scheine
Hingerissen die Seele gelauscht,
Todt ist sie am kommenden Morgen,
Und wir sind um die Töne gebracht.

Aber nicht in ängstlichem Entsagen,
In wehmüth'ger Seufzer Traurigkeit,
Nicht mit sehnsuchtsvollen bangen Klagen
Bringe hin des Lebens kurze Zeit.
Leben sollst du, lebe du das Leben!.
Immer kindlich, heiter bleib' dein Sinn,
Denn verweilend nie die Horen schweben.
Nütz' es, was sie bringen ist Gewinn.
Freue dich der gegenwärt'gen Güter;
Deine Seele sehne nicht zurück,
Du bist sonsten nur des Todten Hüter,
Du verlierst des kurzen Lebens Glück.

Aber wer dem Sinnenreiz gefröhnet,
Dem verschließet sich des Tempels Thor;
Es verstößt den, welcher Tugend höhnet,
Der Kamönen jungfräulicher Chor.
An dem Staube sollest du nicht kleben,
Grund' dein Glück nicht auf Vergängliches.
Ihm wird Dauer kein Bemühen geben,
Immer bleibt es Unerschwängliches.
Nichts des Irdischen die Zeit verschonet;
Gleich dem Baume, durch den Frost entlaubt,
Steht der Mensch, in dem nichts Höhres wohnet,
Mit der Tugend jeder Lust beraubt.
Immerwährend lebt in blüh'nder Jugend,
Gleich den Göttern in des Himmels Höh'n,
Wer das Ew'ge nicht vergaß, noch Tugend;
Solchem wird der Frohsinn nie verweh'n.


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