Ludwig I. von Bayern
Gedichte
Ludwig I. von Bayern

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Rom.

V. Elegie.

Innigste namlose Wehmuth fasset mich bey dem Gedanken
    Immer an dich, o Rom, nie zu vergleichende Stadt!
Die Jahrtausende, wie die Geschlechter, entstanden und schwanden,
    Denkmal der Größe bist du und der Vergänglichkeit auch.
Du vereinigest uns die ganze Vergangenheit, Roma;
    Sehnsucht hab' ich nach dir, möchte entfliehen der Welt,
Bin in Betrachtung versunken, ich fühle des Irdischen Leere;
    Wo ward mehr und wo länger des Großen gethan,
Als in Roma? Verhallet sind lange die Siegesgesänge,
    Und die Dichter allein halten Triumphe nur mehr.
Diese Säule bezeugt, wo Roma errettet geworden,
    Als in der Kindheit ihr frühe das Ende gedroht;
Hier ermannten sie sich auf's neue und standen im Kampfe
    Und den Römern hiedurch wurde Errettung und Sieg.
Sie erbaueten auf der nämlichen Stelle den Tempel
    Jupiter Stator zum freudigen Danke dem Gott;
Denen hilft er nur, die standhaft sich selbst nicht verlieren.
    Ruhig stießet so fort immer, wie gestern so heut.
Die Fontana, die ewig sich leeret und ewig sich füllet,
    Gleich der endlosen Zeit rinnt aus der Urne der Strom;
Und so kommen und schwinden die Tage, es stehet das Wirken
    Allbelebter Natur immer der Sterbliche, kann's
Nicht erklären jedoch. Dort auf der Thermen Ruinen
    Blühen Violen bereits mitten im Winter in Rom.
Lautlos ist's, wo ein Wort das Schicksal der Völker bestimmte,
    In verwittertem Schutt lieget der Kaiserpalast;
Wo einst goldene Hallen, verweilen einsame Vögel,
    Tragen den Raub hinein, thaten's die Kaiser doch auch!
Sanft berührende Lüfte bewegen die einzelnen Blätter,
    Wehen Wehmuth zu, Wehmuth ins sehnende Herz.
Trauernde alte Cypressen erheben die düsteren Wipfel
    In die Bläue der Luft, über das trümmernde Rom,
Ernstvoll, melancholisch, wie über die Stätte des Todes;
    Sein Gefilde bist du, bist nur ein einziges Grab.
In dem Strome der Zeit entrinnet die Macht und die Größe,
    Die der Gegenwart auch; schon das geborne Geschlecht
Tritt zu des Erderoberers Grab hin. Alle beraubend,
    Wurdest zum Raube du selbst, Rom, der vernichtenden Zeit.
Stürztest durch das Gewicht der eigenen alternden Größe;
    Sie ertragen nicht mehr konnt' das entartete Volk.
Es versanken die Werke der herrlichen Roma, zertrümmert
    Mehr durch die Hände des Volks als der Barbaren sogar.
Wie die Geschichte der Menschheit, unergründlich in deinem
    Schutte, bist du! und es forscht nach der Gelehrte bereits
Seit Jahrhunderten in dem Schutte; es forschet die Nachwelt,
    Neues entdeckend gleich uns, stets in des Alterthums Schatz.
Ernst, stolz ragen empor die ungeheueren Mauern,
    Selbst das Getrümmer erzwingt unsre Bewunderung noch.
Einzig, wahrlich bist du, o Roma! du zeigst dich alleine
    Zweymal als Herrin der Welt, doppelt bemeisternder Kraft.
Sie verlor durch Waffen den Scepter, den Waffen erworben.
    Als das Alte erlosch, kräftig das Neue entstand.
Lichteren Glanzes entstieg aus der Asche der jüngeren Roma
    Weiter verbreitetes Reich durch der Ideen Gewalt,
Und es blüheten wieder die Künste und wiederum wurde
    (Nun durch eignes Verdienst) Roma des Schönsten Verein.
Ein erhab'nerer Geist, als selbst in der herrlichsten alten,
    Lebt in der christlichen Kunst. Griechen erbaueten nichts.
Wie die dem Petrus geheiligt zum Himmel sich wölbende Kirche,
    Die das Pantheon selbst trägt in den Lüften mit Lust.
Auch die zweite gewordene Herrschaft Rom's ist vergangen,
    Und sein Ansehn nun mindert beständig sich mehr.
Seine geschätzten Geschlechter erlöschten und jene, die leben,
    Sind entblößt des Sinn's, welcher die Ahnen erfüllt.
Was noch von Kunstwerken da, raubt oder erhandelt der Fremde.
    Täglich verfällt es mehr was von Ruinen besteht.
Neue entstehen wohl viele, schöne Gebäude doch nimmer.
    Farbe verlöscht auf der Wand ach! und der seelvolle Geist
Schwindet dahin, die Natur entfärbet sich gleichfalls, es kehret
    Aber die Farbe in ihr frischeren Lebens zurück,
Bis auch sie am Ende getroffen wird von der Vernichtung.
    Einzig ewige Stadt? eitle Benennung des Wahns!
Wirst zu Erde, aus der du geworden, verschwinden wird jedes;
    Was das Auge erblickt, zeiget Vergänglichkeit an.
Inneren Werthes Bewußtseyn blos wird währen, von allem
    Nehmen wir dieses allein hier aus der Endlichkeit mit.


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