Ludwig I. von Bayern
Gedichte
Ludwig I. von Bayern

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Paestum.

XII. Elegie.

Endlich bin ich in dir nun, Poseidonia, staune
    Tempel euch an, nur ihr lasset zu wünschen nichts mehr.
Stückwerk, verglichen mit euch, sind die römischen Bauten. Es reihen
    Felsen an Felsen sich hier, halten einander sich selbst.
Wie aus dem Haupte des Zeus Athene gewaffnet entsprungen,
    Steht, vollendet in sich, herrlich das griechische Werk;
In ihm fühlen wir Kunst, die römischen aber sind künstlich.
    Herrschaft und Herrschaft allein kannten die Römer als Zweck.
Mit der Religion und dem Staate, dem Leben verwebet
    War den Hellenen die Kunst, welche ihr Wesen erfüllt.
Die wir gebildet uns wähnen, sind noch Barbaren dagegen.
    Weniges steht nur mehr von der gewesenen Stadt.
Nicht der Rose Aroma erfüllet die heiteren Lüfte,
    Wo vor Zeiten sie sich zweymal entfaltet im Jahr.
Hin sind die herrlichsten Rosen, Poseidonia's Rosen
    Blühten, erblühen nicht mehr und die Hellenen nicht mehr.
Einsam stehen, verlassen, die Tempel der Götter, entragend
    Längst verschwundener Zeit, Zeugen der schöneren Welt,
Und es rauchet kein Opfer und keine umwindenden Kränze
    Duften vor dem Altar, nimmer bewegt sich der Chor,
Keine Hymne erhebet sich mehr zu des Ewigen Höhe.
    Grause Gestalten, entblöst so wie von Schönheit von Geist,
Schleichen kümmerlich unter der Vorwelt heiligen Resten,
    Scheinen Gnomen zu seyn, welche bewachen den Schatz.
Da, wo einstmals zierliche Häuser in Straßen sich reihten,
    Sieht Grundlagen allein traurig der Wanderer nun;
Nur Bruchstücke bestehn von den stadtumgebenden Mauern,
    Wo, mit spähender Angst, liebende Frauen geharrt.
In die Lüfte erschallten der Kommenden Sieges-Päane,
    Zu den Tempeln, gedrängt, wallte das Heer und das Volk,
Opfer dampften den Göttern, doch dem Poseidon vor allen.
    Daß mir vergönnet nicht war, Griechen, zu leben bey euch!
Lieber, denn Erbe des Throns, wär' ich ein hellenischer Bürger,
    In den Gedanken wie oft träumt' ich mich sehnend zu euch.
Aus dem Thore (von allen das einzig erhaltene) wende
    Ich durch ödes Gefild mich zu dem endlosen Meer,
Hin zum verfallenen Thurm, bey Poseidonia's Hafen.
    Wiegend von Wellen berührt, schwanket gelinde der Kahn;
In der bläulichen Ferne verliert sich das Auge, es spähet
    Nach Sicilien mein Blick, sehnend verlanget es mich,
Akragantinon und Syrakusa zu sehen, in Kürze
    Brächte der Nachen mich hin. Sollte der Wanderung Ziel
Hier schon für mich seyn? nach dem Norden zurücke ich müssen?
    Alles erstarret darin, wie die Natur, so der Mensch;
Leben, das wirkliche Leben besteht allein in dem Süden,
    Trennungslos vereint ist es mit Wärme und Licht.
Ach! selbst in dir, du reizende Insel, noch würde mich's sehnen,
    Sehnen nach anderem Land, hier wird Erfüllung uns nie.
Stillen kann das Ewige blos der Seele Verlangen,
    Die Befriedigung nur findet der Geist in dem Geist.


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