Ludwig I. von Bayern
Gedichte
Ludwig I. von Bayern

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Der Seele Drang.

Es treibet ein geheimes Dringen
Des Menschen Bessres zu dem Besten hin,
Zu Himmelshöhen will's ihn schwingen,
Zum Endelosen seine Seele ziehn.

Ermüdung führt mit das Erscheinen
Der Thaten immer wiederholter Lauf;
Es sucht das Land des Edeln, Reinen,
Der Geist die Welt der Ideale auf.

Und nach der Heimath hingezogen,
Gleichwie das Eisen durch Magnetgewalt,
Hebt von des Lebens stürm'schen Wogen
Er sich dahin, wo Irdisches verhallt.

Und nichtig dort wird das Gelehrte,
Verschwinden wird des Menschen Wissenschaft,
Und was er auf der Erde ehrte,
Und auch des Siegers ungestüme Kraft,

Der Menschen ganzes Streben, Trachten,
Der Wünsche sich durchkreuzendes Gewühl,
Und was sie thun und ihre Schlachten
Sind nur für dieses bald vergeh'nde Spiel.

Momente sind dem Geist gegönnet,
Der ird'schen Fesseln da entledigt, dringt
Ein Fühlen (keine Sprach' es nennet)
In ihn, zum Quell der Wahrheit er sich schwingt.

Zu wissen nicht ist ihr Erscheinen,
Bestimmen läßt sich ihre Dauer nicht,
Vermögend sonsten nur zu meynen.
Erhellet da der Wahrheit Himmelslicht.

Zu bald doch ruft die Körperhülle
Die Seele aus dem geist'gen Leben her,
Aus seligster Genusses Fülle,
Und wieder schwimmt sie in der Täuschung Meer.

Und trauernd sehnend sich zurücke,
Vertauscht sie jene gegen diese Welt,
Die sklavisch fröhnet jedem Glücke,
Das Laster sieget und die Tugend fallt.

Die Hülle folgt dem Wirbelzuge,
Doch über unsrer Tage gleichem Gang
Schwingt sich der Geist in kühnem Fluge,
Der Körper aber unterliegt dem Zwang.


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