Edmond de Goncourt
Die Dirne Elisa
Edmond de Goncourt

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LXIII.

Sie war im Wald.

Sie durchschritt das Gehölz, das die ersten Blättchen trieb, und suchte nach den Nestern jener ganz kleinen Vögel, die zwischen den Wurzeln der Bäume nisten.

Mit einer Schar kleiner Mädchen, die Mund und Zähne schwarz wie Tinte hatten, ging sie Heidelbeeren pflücken, ihr Körbchen war schon ganz voll, und sie lachte und neckte die anderen, die nicht halb so viel hatten.

Sie ging Krebse fangen, an den nackten Füßen alte Pantoffeln, fröhlich und erschauernd in dem kalten Wasser, und tauchte alle zwanzig Schritte den Kopf unter.

Sie spielte in der Abenddämmerung »Räuber und Gendarm« oder »Waschlappen« und tat es allen zuvor, wenn es galt, diejenige mit Wasser anzuspritzen, die zuerst über die Dummheiten lachte, die ihr alle zuriefen.

Sie pilgerte zur heiligen Jungfrau von Paquis, um dort ihre Litanei herunterzubeten, vor den drei geweihten Kerzen, die die Mädchen »Saint-Mort«, Saint-Languit« und »Saint-Revit« getauft hatten.

Sie saß an der Landstraße bei den Rastelbindern, den italienischen Kesselflickern, die vorübergehend in dem kleinen Gebirgsdorf arbeiteten, und schaute tagelang mit leuchtenden Augen zu, wie diese schwarzen Männer mit blankem Silber die alten Kochtöpfe ausflickten.

Sie war bei der Weihnachtsbescherung, von wo sie in ihren Ärmchen, die ihn kaum umfassen konnten, den großen fünfzackigen Kuchen nach Hause trug, den die Paten den Kindern in den Vogesen zu schenken pflegen.

Sie tollte auf dem Petersfeld im Schnee herum, ließ sich mit ausgebreiteten Armen der ganzen Länge nach auf den Rücken fallen und freute sich über den schönen Abdruck im welchen Schnee, der wie ein Kruzifix aussah.

Sie stand beim »Wurstel« und erwog, ob sie wohl von den Stofflecken, die sie am nächsten Jahrmarkt für einen Sou bei Christine kaufen würde, ihre Puppen ebenso schön ausstaffieren könnte, wie die Marionetten, die hier beim Kerzenflackern tanzten.

Sie war auf dem Kirchweihfest mit ihrem blumengeschmückten Häubchen, ihrem kurzen Kleidchen, den ausgeschnittenen Schuhen und den weißen durchbrochenen Strümpfen, auf denen breite Bänder sich kreuzten, die zu einer koketten Masche gebunden waren, »Lianen« nannte man sie, sie erinnerte sich dessen noch ganz genau. Stolz trug sie diese Bänder und ließ sich von den Dorfbewohnern vor der Kirchentüre bewundern, stellte ihre kindliche Anmut zur Schau, wandte ihr Gesichtchen halb von den Lippen ab, die ihre frischen Backen küssen wollten, und zierte sich wie die großen Mädchen.


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