Edmond de Goncourt
Die Dirne Elisa
Edmond de Goncourt

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XXIII.

Elisa verdingte sich dann in einem Haus der Avenue de Suffren gegenüber der Hauptfront der Militärschule, dieser großen gelben Häuserfront, aus deren Fenster die Soldaten in Hemdärmeln unentwegt herausschauten.

Das Haus gehörte zu einem Häuserblock, der von kleinen, suspekten Gewerbetreibenden bevölkert wurde und lag zwischen ein paar engen, schmutzigen Schenken, die auf ihrem Schild die klingenden Namen siegreicher Schlachten führten. Da war zunächst an der Ecke der Avenue und des Boulevard de Lowendal der anrüchige Uniformtrödler. An den Wänden hingen zwischen alten Carricks alte rote Kürassiermäntel, vermoderte Husarenblusen, ausgebleichte Blusen mit ledernen Reitflecken. Durch die beiden grünen Fensterrahmen sah man ein schmutziges und verstaubtes Durcheinander von Federbüschen, Fechthandschuhen, sorgsam gerollte Sappeurschürzen, Rasiermesser, Schachteln voll Epaulettenfransen, aufgefädelte Uniformknöpfe und in einer alten Mistkiste einen Haufen von Portepees. Auf den Trödlerladen des militärischen Ruhmes folgte ein langgestrecktes, finsteres Gebäude mit hermetisch verschlossenen Fensterladen, das unbewohnt und unbelebt zu sein schien, und auf dessen schmutziggrün getünchter Front die stolzen Worte prangten: »Hotel Viktoria.« An die rechte Seite des Hôtel garni stieß ein aus alten Bauhölzern gezimmerter Verschlag, der die Aufschrift trug »Zum kleinen Soldaten-Basar«. Ein Invalide handelte dort während des Tages mit Seifen, Pomaden und minderwertigen Parfüms. Auf den Basar folgte ein Weinschank, an dessen Mauer man las: »Kleiner Schwarzer 15 cts.« und auf dessen Schild »Zur Brücke von Lodi«. Hinter einem schmutzigen Vorhang hing mit einer Nadel angesteckt ein altes Plakat des Theaters Grenelle: »Die verzauberte Mißgeburt«. Das fünfte Haus, in welchem Elisa wohnte, war das schönste in der ganzen Avenue. Es war zwei Stock hoch. Die Eingangstür sprang ein wenig vor und war mit bunten Glasscheiben geschmückt. Die Fenster des Erdgeschosses waren mit verziertem Milchglas versehen, die Fenster des ersten Stockes mit grünen Fensterladen. Ein heller Anstrich belebte das schmucke Haus, das überdies noch mit gemalten Panneaux verziert war, die Marmorreliefs nachahmten. Das mittlere dieser Panneaux trug in riesigen goldenen Ziffern die Nummer des Hauses.

Hinter dem Gebäude mit der großen Hausnummer gewahrte man durch eine Mauerbresche das Dach eines Schuppens und ein paar große, goldgelbe Sonnenblumen, zwischen denen im Sommer die armselige Unterwäsche der Soldaten zum Trocknen aufgehängt war. Weiter an dieser Mauer entlang kam man zu einer Tür, die zu einem offenen Glasverschlag führte, dessen Kalkwände mit Brettern ausgeflickt waren und in welchem sich eine Kegelbahn befand, die der Unterhaltung der Soldaten diente, wenn es regnete oder schneite. Da gab es auch ein ländliches Kaffeehaus, an dessen einziges Fenster man einen Papierstreifen geklebt hatte mit der Aufschrift »Zum Rendezvous der Trompeter«. Dann kam eine Kaluppe, in der ein Fahrradhändler sich installiert hatte, der sein ganzes rollendes Eisenzeug zur Schau stellte und stets von einer Schar von Kindern umlagert war, die ihre roten Hosen aus einem alten Soldatenpantalon im Staub nachschleiften. Daran schloß sich eine endlos lange Planke, hinter der sich kahle Baugründe bis zur Seine erstreckten, auf denen dort und da Haufen von Bau- und Pflastersteinen aufgestapelt waren. Diese Planke war vollgeklebt mit Affichen und Plakaten.


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