Edmond de Goncourt
Die Dirne Elisa
Edmond de Goncourt

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XXVI.

Die Herkunft der Mädchen, die nacheinander das Haus in der Avenue de Suffren bewohnten, war eine sehr verschiedene. Die Mehrzahl stammte aus dem Quartier latin. Das waren die ehemaligen Tänzerinnen von Bullier und von Prads, die Stammgäste der Garküche in der Rue Dauphine, denen das Glück nicht gelacht hatte, und die durch ihr Bohemeleben, durch dieses Leben bei den gefüllten Punschgläsern, an den Lärm durchtollter Nächte gewöhnt waren. Einige waren in der Provinz angeworben worden. Andere wieder waren von Stufe zu Stufe gesunken, hatten keine Möglichkeit gefunden, sich in den besseren Lokalen zu halten, weil es ihnen an Erziehung und Umgangsformen fehlte oder weil sie die Schüchternheit und Verlegenheit nicht abzulegen vermochten, die Frauen niederer Herkunft oft in Gesellschaft sozial höher stehender Männer nicht loswerden können. Doch man darf nicht glauben, daß in diesem Haus ein besonders ordinärer und schamloser Ton herrschte. Im Gegenteil. Die Dirne dieser Kategorie, die mit schmutzigen Worten herumwirft und sich schamlos benimmt und kleidet, findet keinen Anklang. Der Mann aus dem Volke liebt in dem, was er liest, was er im Theater sieht, oder in dem, was sein Liebesbedürfnis in den Vergnügungslokalen sucht, vielmehr einen gewissen Schein von Eleganz, von Vornehmheit, von Schick, eine Komödie, die ihm die große Welt vortäuscht, er sucht die Wirklichkeit oder das Scheinbild eines Milieus, das anders ist als jenes seiner Klasse, in dem er sich für gewöhnlich bewegt. Die Sorte von Mädchen, die durch ihr besonders dirnenhaftes Benehmen bisweilen die lasterhafte Neigung eines Kavaliers zu reizen vermögen, wirken auf die Sinnlichkeit des einfachen Mannes meistens abstoßend. Daher findet man auch, daß diese Mädchen, außer vielleicht im Zorn oder in der Trunkenheit, diesen rauhen und derben Männern gegenüber stets die Rolle der Zärtlichen und Sanften, der Gesitteten und Zurückhaltenden spielen. Sie nehmen kaum jemals unanständige Worte in den Mund und ihre selbstverständliche Schamlosigkeit hat nichts Zynisches an sich. Sie geben sich nach ihren Fähigkeiten so sehr sie können Mühe, die »Dame« zu spielen. Es ist eine Tatsache, die zu denken gibt: in den vornehmen Häusern der Prostitution haben die Mädchen um so mehr Erfolg, je mehr sie sich »en canaille« zu benehmen wissen, während in den schäbigen und billigen Bordellen gerade eine gewisse »distinguierte« Art bei den Männern Anklang findet, die sich in den dürftigen Salons niedersetzen.


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