Edmond de Goncourt
Die Dirne Elisa
Edmond de Goncourt

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IX.

Der Ort selbst, die weit hinausgeschobene Vorstadt und das alte wacklige Haus verloren für Elisa ihre Schrecken; sie sah es jetzt nicht mehr mit so angstvollen Augen wie am Tage ihrer Ankunft. Die knospenden Sträucher, die grünen Sprossen der Gemüsebeete, die beim Eintritt der wärmeren Jahreszeit unter dem Schnee zum Vorschein kamen, gaben dieser Vorstadt eine gewisse Lieblichkeit. Sie glich jetzt einem großen Garten mit zerstreuten Behausungen, die dort und da zwischen den Bäumen hervorlugten. Ja das Haus selbst bot, trotz seines festungsartigen Charakters, seinen Bewohnern mancherlei Reiz, Abwechslung und Eigenart. Vogelgezwitscher und Fliederrauschen umgaben es den ganzen Tag. Das Haus war die ehemalige Salzkammer der Stadt. Die Mauern waren durch die Jahrhunderte von Salz durchsetzt, schwitzten beständig Salz aus. Hunderte von Vögel schwirrten um den alten Kasten, rieben ihre Schnäbel an dem salzigen Gemäuer und stiegen hoch zum Himmel auf, bis sie dem Auge entschwanden, hoch oben einen Augenblick schweben blieben und dann wieder herabschossen, das schwarze Gemäuer mit ihrem frohen Flügelschlag umkreisend. Vom frühen Morgen bis zur Dämmerung ging das Geschwirr der zwitschernden Vogelschar. Das Haus wurde beim ersten Sonnenstrahl durch dieses Gezwitscher aufgeweckt und der letzte Strahl der scheidenden Sonne wurde auf gleiche Weise von den munteren Schwalben gegrüßt. Wenn Regen fiel, dieser laue, sanfte Sommerregen, dann widerhallte der Hausflur von dem Rauschen der Flügel, die an den Wänden streiften, ein anheimelndes Geräusch, das von dem leisen Hämmen der gierigen, jungen Schnäbel unterbrochen wurde, die hastig die salzige Feuchtigkeit von der Mauer aufpickten.


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