Edmond de Goncourt
Die Dirne Elisa
Edmond de Goncourt

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XLV.

In den düsteren kleinen Hof fiel ein Sonnenstrahl, den ein Taubenschwarm mit rauschendem Flügelschlag durchkreuzte vom Schatten zum Licht, vom Licht zum Schatten, in wechselnden Farben schillernd. Inmitten dieses geflügelten Wirbels plätscherte der dünne Regen eines Springbrunnens in ein großes Becken aus blauem Glas, das auf einem künstlichen Muschelfelsen montiert war und in welchem silbrige Fische ruhelos um den Messinghahn herumschossen. An ein Fenstergitter war ein alter Rabe angekettet, der seine hundert Jahre zählen mochte und seinen gesunden Vogelverstand verloren zu haben schien, denn er hüpfte ununterbrochen auf einem Bein herum. Durch das offene Fenster sah man einen Kamin, auf welchem unter einem Glassturz ein Brautkranz lag und daneben ein kleines Netz, zum Fangen der Fische, die in dem blauen Glasbecken umherschwammen.

Elisa sah das alles so deutlich vor sich, als blicke sie von dem Tisch des Markthallenrestaurants, wo sie am Tag ihres letzten Ausganges gesessen hatte, wieder in den kleinen Lichthof unter dem Glasdach. – Oh, wie schön hatte doch dieser Tag begonnen! ... Wie schön war ihr dieses Restaurant vorgekommen gegen die Vorstadtschenken, in denen sie sonst verkehrte! ... Und die Leute, die neben ihr saßen, schauten nicht mit verächtlichen Blicken auf sie!... Und der Kellner behandelte sie wie eine Dame, ganz ebenso wie die wirklichen Damen, die an den Nebentischen saßen. Dann hatten sie einen Omnibus bestiegen und waren flott dahingerollt, hoch oben auf dem Verdeck, mit dem Wind in den Haaren. Lang schon war das Elisas geheimer Wunsch gewesen. Aber auf dem Quai de Chaillot waren sie abgestiegen, und hart am Ufer der Seine zu Fuß weitergewandert, während ihre Augen dem fließenden Wasser folgten, das sie begleitete. Als sie dann die Augen aufschlug, waren sie weit außerhalb Paris, weit draußen!... Auf irgendeinem Feld sah sie durch die Maschen eines zum Trocknen aufgehängten Netzes einen Hirten, mit einem alten Soldatentornister auf dem Rücken, der eine Schafherde hütete ... Und es kam ihr sonderbar vor, daß sie die Silhouette des Invalidendomes am Himmel nicht wiederfand, an die sie so gewöhnt war ... Und plötzlich waren sie im Bois de Boulogne. Wie schön war es dort im Wald, und wie süß waren die Worte, die ihr Schatz ihr zugeflüstert hatte.


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