Edmond de Goncourt
Die Dirne Elisa
Edmond de Goncourt

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VIII.

Elisa sah sich von ihrer Mutter befreit. Ihr tägliches Brot war gesichert. Die Sorge um das »Morgen«, unter der die Arbeiterin bangt, war für sie ohne Bedeutung. Die Männer, die das Haus besuchten, wären durchaus nicht brutal, mit den »Kolleginnen« vertrug sie sich ganz gut, Monsieur und Madame schienen honette Leute zu sein. Das Essen war recht famos. Den verfaulenzten Tagen folgten stille, ruhige Abende, die etwa so verliefen.

Draußen tiefe Stille, der Friede eines abgelegenen Stadtviertels, das Schweigen einer Straße, die nach Einbruch der Nacht nicht mehr begangen wird. In der Stube die laue Luft eines überheizten Ofens, wo die warme Feuchtigkeit der Wäsche, die auf den Möbeln trocknete, sich mit dem faden Geruch der Kastanien mischte, die in gezuckertem Wein kochten. Auf dem abgetretenen Teppich eine große Katze, ein unbeweglicher schwarzer Fleck. Die Frauen lehnen halb schlafend in den Ecken der beiden Kanapees. Monsieur, mit seinem dichten grauen Knebelbart, in seiner Ärmelweste, eine kleine Schirmmütze bis über die Ohren, gezogen, die Hände mit dem Daumen nach außen in die Hosentaschen vergraben, läßt seine Blicke seelenvergnügt über die Illustrationen eines Bandes der »Berühmten Verbrecher« gleiten, ein Buch, das der Sohn des Hauses, ein hübscher, blasser, junger Mensch in Pantoffeln, mit einer gestickten Herzneun darauf, der so blaß ist, daß Papa und Mama ihn Punkt neun schlafen schicken, mit Vorliebe zu lesen pflegt. Und als Hintergrund dieses Genrebildes, in einem schwarz und rot karierten Männerschlafrock, »Madame«, kugelrund, dick wie ein Faß, Madame, die ihre liebe Mühe hat, ihre schlappen Fettmassen zusammenzuhalten und weiterzuschleppen, Madame, die den ganzen Abend ihre fetten Hüften massiert, während sie sich an die Stuhllehne klammert, Madame, die von Zeit zu Zeit Stoßseufzer ausstößt, »Jesus Maria!« klagend, wie ein heller Ton aus einer alten Harmonika, während hin und wieder einer ihrer Holzschuhe am Boden aufklappt und die Stille dieser schläfrigen und satten Stunden unterbricht.


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