Edmond de Goncourt
Die Dirne Elisa
Edmond de Goncourt

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XIV.

Zwei Jahre verstrichen für Elisa in dieser Behaglichkeit, in dieser Umgebung von zuvorkommenden und schmeichelhaften Worten, in dieser allseits Herrscherinnenrolle, in dieser Ungebundenheit und fast vollkommenen Freiheit zu tun, was ihr beliebte. Plötzlich nahmen die Dinge eine andere Wendung. Der Sohn des Bürgermeisters trat in ein Ministerialbureau ein und die Abreise dieses einflußreichen Jünglings warf Elisa wieder in ihre frühere, untergeordnete Stellung zurück. Die durch ihre Prinzessinnenmiene und ihre anspruchsvollen Launen verletzten Kolleginnen versäumten nun keine Gelegenheit, sich an ihr zu rächen und sie mit ausgesuchter Bosheit zu quälen, wie es ja die Frauen so gut verstehen, und sollten sie auch nur Bauernmägde sein. Der gute Gros-Sou wurde eines Morgens erfroren im Walde gefunden, und der Klang seiner Geige, die Heiterkeit seiner Späße fehlten fortan an den Sonntagen. Die »Lothringerin« hatte infolge einer Blutstauung im Gehirn der Schlag getroffen und sie war ins Spital überführt worden. Monsieur erging sich in wilden Zornausbrüchen, weil das Gerücht von der Eröffnung eines Konkurrenzunternehmens aufgetaucht war, und schimpfte und fluchte, wie man es ihm nicht zugetraut hätte. Überall und in allem wurde Elisa vom Mißgeschick verfolgt und sie begann der Weiber, der Männer und der ganzen verfluchten Gegend überdrüssig zu werden, was schließlich in ihr den Wunsch nach einer Ortsveränderung herbeiführte.

Zu allem Überfluß erfüllte der wilde Todeskampf eines Sterbenden das Haus mit seinem Grauen, eines sterbenden jungen Menschen, der mit allen Fasern am Leben hing. Der Sohn des Hauses hatte nur noch wenige Wochen zu leben und jeder Anfall, der ihn dem Ende näher brachte, führte eine schreckliche Szene herbei. Von Todesangst gefoltert, verfluchte er erbarmungslos seine Mutter, rief ihr schändliche Namen zu, daß man es bis auf die Straße hörte, beschuldigte sie seines frühen Todes, und schrie, daß Gott ihn für ihr schmutziges Handwerk strafe!

Elisa, die von Kind auf gewohnt war, die Wöchnerinnen zu betreuen, wurde natürlich zur Krankenpflege des jungen Burschen herangezogen. An den Tagen, da er weder die Gegenwart seines Vaters noch die seiner Mutter zu ertragen vermochte, pflegte sie ihn und wachte bei ihm. In der trübseligen Verfassung, in der sie sich befand und angesichts ihrer traurigen Aufgabe, suchte sie Zerstreuung in der Lektüre von Büchern, von Romanen, die auf dem Bett des jungen Mannes umherlagen, und die er, nach Art der Kranken, von einem nach dem anderen greifend, zu lesen pflegte in den Stunden, da er sich ein wenig wohler fühlte.


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