Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

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An die Prinzessin Wilhelmine von Oranien

Potsdam, 14. April 1783.

Das Alter, liebes Kind, bringt Krankheiten und Gebrechen mit sich; jeder muß sein ihm zugemessenes Teil tragen. Wir sind Menschen und müssen uns daher ohne Murren dem Los der Menschheit unterwerfen. Dein alter Onkel ist in allem mit seinem Schicksal einig, nur wünschte er Dir gern ein glücklicheres Geschick.

Der Prinz handelt klug, bietet er zu allem die Hand, was zu einer Verständigung führen kann. Er muß Zeit gewinnen, und wenn er nur noch solange die Segel einzieht, bis der Sturm ausgetobt hat, wird er gewonnenes Spiel haben. Die Italiener sagen: »Chi ha tetnpo, ha vita«, und sie haben recht.

Doch ich fürchte, liebe Nichte, daß meine Briefe Dir sehr langweilig vorkommen; sie gleichen in Stil und Tonart denen, wie sie ein alter vergrämter und verschlossener Schulmeister schreibt. Ich schäme mich darob und möchte Dich lieber mit kurzweiligen Späßen unterhalten, aber solcher Stoff fehlt mir. Ich lebe mit alten Leuten. Da fragt man sich: »Was macht Ihr Reißen?« Ein anderer erkundigt sich: »Haben Sie noch die Gicht?« Und ein dritter sagt: »Haben Sie Ihre Kolik schon überstanden?« Da läßt sich nicht viel schreiben; der Stoff ist gar zu armselig.

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