Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

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An den Lord Marschall von Schottland

Berlin, 7. April 1764.

Gestern, lieber Mylord, empfing ich Ihren Brief bei der Rückkehr aus Schlesien, wohin ich gereist war, um die Wunden zu heilen, die der Krieg der Provinz geschlagen hatte. Ich bin entzückt von der Aussicht, Sie wiederzusehen. Stets habe ich gehofft, daß dieser Trost mir noch bliebe.

Die »Denkwürdigkeiten«, von denen Sie sprechen, sind vollendet; mehr und mehr habe ich mich davon überzeugt, daß Geschichteschreiben so viel heißt, wie die Torheiten der Menschen und die Spiele des Zufalls aneinanderzureihen. Alles läuft auf diese zwei Dinge hinaus, und so geht es in der Welt schon von Ewigkeit her. Wir sind ein elendes Geschlecht, das sich abhetzt in der kurzen Spanne Zeit, wo es auf dem kleinen Staubkorn, Erde genannt, vegetiert. Wer seine Tage in Ruhe und Frieden verbringt, bis seine Maschine stillsteht, ist vielleicht vernünftiger als alle, die auf soviel gewundenen, dornigen Umwegen ins Grab steigen. Doch ich bin nun einmal gezwungen, mich wie ein vom Wasser getriebenes Mühlrad zu drehen; denn der Mensch wird von seinem Schicksal fortgerissen und ist nicht Herr seines Tuns und Lassens.

Die schöne Jahreszeit naht; ich rette mich in meinen Garten, um die Fortschritte des Frühlings nach Herzenslust zu betrachten, das Sprießen und Blühen zu sehen und, wie Fontenelle sagt, die Natur in flagranti zu ertappen.

Leben Sie wohl, lieber Mylord! Lassen Sie es sich stets gut gehen! Vergessen Sie die Abwesenden nicht und seien Sie überzeugt, daß ich Ihr bester und treuster Freund bin.

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