Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

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An Prinz Heinrich

Potsdam, 25. Januar 1777.

Zu gütig, lieber Bruder, ist Deine Teilnahme an meinem alten Geburtstag, dessen einziges Verdienst darin besteht, daß er Dir einen treuen Freund beschert hat. Aber nur schwer wirst Du die Neuigkeit glauben – und sie ist eine –, daß ich nach 65 Jahren gestern einen Glückwunsch von ganz neuer Art erhalten habe. Er stammt von Seiner Exzellenz dem Oberstallmeister. Er wünschte mir, ich möchte weder Druse noch Spat noch Rotz bekommen. Wie Du siehst, weiß sein fruchtbarer Geist alten und verbrauchten Wendungen eine ganz neue Form zu geben.

Weiß der Himmel, was für Gerüchte in der Welt umlaufen! Dabei ist in den Provinzen einzig und allein von einer neuen Eintragung der Pferde in die Listen und der Erneuerung der Lieferungsverträge mit den Händlern die Rede gewesen. Ich glaube, auf das erste Gerücht davon hat sich bei unseren Feinden ihr schlechtes Gewissen gemeldet. Sie wissen, was sie vergangenes Jahr im Schilde führten, und auch, daß ich davon unterrichtet war. Dennoch sollten sie vernünftiger urteilen und begreifen, daß ich sie ohne Vorwand und ohne vorherigen Abschluß einer Offensivallianz nicht angreifen werde. Ja, ganz anders lägen die Dinge, gingen jetzt etwa der Kurfürst von Bayern oder der Markgraf von Ansbach mit dem Tode ab. Selbst wenn ich ihnen nun vorhielte: »Vergangenes Jahr habt Ihr mich angreifen wollen«, – würden sie da nicht antworten: »Haben wir's getan? Kein einziges Regiment ist marschiert; der schlechteste Vorwand genügt Dir, um uns den Krieg zu erklären.« Und was könnte ich ihnen darauf erwidern? nichts! Wenn also diese Leute nicht endlich zu besserer Einsicht kommen, so sind sie entweder vernagelt oder sie halten mich für einen Brausekopf. Doch was ficht das mich an, wenn ich nur mit Mithridates sagen kann:

Mein letzter Blick sah Ostreich auf der Flucht.

*

An die Kurfürstin Maria *


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