Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

An Marquis d'Argens

Reich-Hennersdorf, 28. Mai 1759.

Noch ist kein Anlaß, Viktoria zu rufen oder die Zukunft vorauszusagen. Die Hauptarbeit, die Lösung des Knotens, steht uns erst bevor, und es muß abgewartet werden, wie das Schicksal die Ereignisse lenkt. Was aber auch geschieht, nichts soll meine Philosophie umstoßen. An meine Gesundheit und meine innere Zufriedenheit denke ich nicht; das sind Dinge, die mir höchst gleichgültig erscheinen. Ich sehe, lieber Marquis, Sie lassen sich irreführen wie die Öffentlichkeit. Meine Lage mag von fern wohl noch halbwegs glänzend erscheinen, aber aus der Nähe betrachtet, ist es nichts als dicker Rauch und Qualm. Ich weiß fast nicht mehr, ob es auf Erden noch ein Sanssouci gibt: wo der Ort auch liegen mag, für mich paßt der Name nicht mehr. Kurz, lieber Marquis, ich bin alt, traurig und grämlich. Hin und wieder leuchtet meine alte Fröhlichkeit wohl noch auf, aber es sind nur Funken, die, weil die nährende Kohlenglut fehlt, verglimmen; es sind Blitze, die durch dunkle Wetterwolken flammen. Ich rede die Wahrheit: wenn Sie mich sähen, fänden Sie die Spuren dessen, was ich einst war, nicht mehr. Sie sähen einen alt und grau gewordenen Mann, der die Hälfte seiner Zähne verloren hat, einen Mann ohne Frohsinn, ohne Feuer, ohne Einbildungskraft. Das ist übrigens weniger das Werk der Jahre als des Kummers; es ist der traurige Anfang der Hinfälligkeit, die der Herbst unseres Lebens unweigerlich mit sich bringt. Solche Betrachtungen machen mich höchst gleichgültig gegen das Leben und bringen mich in die rechte Stimmung eines Menschen, dem es bestimmt ist, auf Tod und Leben zu kämpfen. Ist man mit dem Leben erst so weit fertig, dann schlägt man sich tapfer und scheidet ohne Bedauern aus der Welt.

*


 << zurück weiter >>