Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

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An d'Alembert

Potsdam, 1. August 1780.

Ihr Brief klingt so traurig, daß es mir weh getan hat. Es scheint, Sie haben ebenso über Ihr körperliches Befinden wie über Ihr Schicksal zu klagen. Wir sind Greise und stehen am Ziel unserer Lebensbahn; man muß versuchen, sie heiter zu enden. Wären wir unsterblich, so dürften wir uns wohl über unsere Leiden betrüben; aber unser Leben ist zu kurz, als daß wir uns an Dinge klammern sollten, die unseren Augen bald für ewig entrückt sein werden. Sie sagen, lieber Anaxagoras, Sie hätten die Tatkraft verloren, die Sie im Jahre 1763 besaßen. Ich auch – das ist das Los der Greise. Mein Namensgedächtnis schwindet, meine geistige Frische läßt nach; meine Beine sind schwach; ich sehe schlecht, – kurz, ich habe Beschwerden wie jeder andere. Aber diese ganze Prozession von Krankheiten und Gebrechen raubt mir meine Heiterkeit nicht, und ich werde mich mit lachendem Antlitz begraben lassen. Suchen Sie doch alles von sich abzuwälzen, was Ihre Seelenruhe stören kann. Bedenken Sie, daß das Leben nur ein Traum ist, und daß nichts übrig bleibt, wenn es vorbei ist. Voller Betrübnis muß ich auf das Vergnügen, Sie wiederzusehen, verzichten, und unsere Unterhaltung muß schwarz auf weiß fortgeführt werden. Aber das ist immer noch besser als gar nichts. Sie werden also Ihre Gedanken schildern, und ich werde sie mir zunutze machen.

Ich habe es wohl schon gesagt und ich fürchte, ich behalte recht: das Grab Voltaires wird das der schönen Künste sein. Er war der Schlußstein des schönen Zeitalters Ludwigs XIV. Wir kommen in die Periode des Plinius, Seneca und Quintilian. In Zeiten der Unfruchtbarkeit scheidet man leichter aus der Welt als in Zeiten des Überflusses; denn dann hängen wir nicht mehr an dem, was wir verlassen müssen. Folgen Sie darum meinem Rat, lieber Anaxagoras. Kränzen Sie Ihr Haupt mit Rosen, suchen Sie Zerstreuung und fügen Sie sich in Ihr Schicksal. Möchten Sie glücklich sein und bei guter Gesundheit bleiben.

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