Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

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Antonia von Sachsen

Potsdam, 8. März 1766.

Zweifellos kann keine Gesellschaft ohne Gerechtigkeit bestehen. Tu keinem etwas an, wovon du nicht willst, daß es dir geschehe – in diesem Grundsatz liegt alle Tugend, liegen alle Pflichten der Menschen gegen die Gesellschaft, in die er gesetzt ist. Daher leitet sich auch das an den deutschen Universitäten so berühmte öffentliche Recht ab, das aber vom kanonischen Recht fast stets erdrückt wird. So befindet sich die Vernunft mit der Leidenschaft der Menschen stets in Widerstreit, und was die eine aufrichtet, reißt die andere nieder. Ich glaube, man muß die an der Spitze der Regierungen Stehenden erst anhören, bevor man sie verdammt. Ich betrachte sie nicht als Despoten; sind sie es, so ist das ein Mißbrauch ihrer Macht. Die Absicht, um derentwillen man sie eingesetzt hat, macht sie zu den ersten Dienern ihrer Völker. Ihre Hauptpflicht besteht darin, für den Vorteil ihrer Völker nach besten Kräften zu sorgen, d. h. für die Sicherheit des Besitzes, die das erste Recht aller Bürger ist, ferner sie gegen Unternehmungen der Nachbarn zu schützen, die ihnen schaden wollen, und schließlich, sie vor Übergriffen und Gewalttaten ihrer Feinde zu schirmen. Betrauen Sie nun den sanftmütigsten und selbstlosesten Menschen mit diesem Amte, so werden Sie zugeben müssen, daß er, will er seine Pflichten erfüllen, anders handeln muß als nach seiner natürlichen Neigung. Er ist gewissermaßen ein Vormund, der mit seinem eigenen Gut freigebig ist, aber mit dem seines Mündels geizt. Das ist mein Begriff vom Herrscheramt, und demgemäß handle ich in meinem kleinen Wirkungskreise. Ja, ich achte und ehre Sie und würde Ihnen alles zum Opfer bringen, was mir selber gehört, aber nichts von dieser Vormundschaft, die mir übertragen ist. Mein Gewissen würde mir bittere Vorwürfe machen, wollte ich gegen diese Pflicht verstoßen.

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