Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

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Antonia von Sachsen

Potsdam, 22. Oktober 1777.

Ew. Königliche Hoheit tun mir zu viel Ehre an! Großmütig wie Sie sind, wollen Sie meinem Namen unendliche Dauer geben. Gestatten Sie mir, Ihnen schlicht und einfach zu sagen, wie ich darüber denke. Wenn manche Menschen sich mehr als andere rühren, so redet die Welt von ihnen, eben weil sie keinen Frieden halten. Sterben sie, so spricht man schon weniger von ihnen. Andere unruhige Geister tauchen auf, erfüllen die Köpfe mit neuen Geschichten und lenken die ganze Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich. Ihnen folgen wieder andere; kurz, die Fülle der Ereignisse, der Strom der Zeit, der unablässig neue Bilder vor unseren Augen vorübergleiten läßt, löscht die alten aus, und so fließen nach einer bestimmten Folge von Jahrhunderten Namen und Geschehnisse ineinander und ersticken sich sozusagen gegenseitig. Unsere Kenntnis des von uns bewohnten Erdballs reicht kaum fünftausend Jahre hinauf, und doch steht es fest, daß die Welt von Ewigkeit her bestanden haben muß. Wir wissen also fast nichts von dem, was sich während dieser unendlichen Dauer zugetragen hat. Fügen wir nun zu unserem Jahrhundert noch vierzig hinzu, so wird die ungeheure Fülle der Tatsachen der Nachwelt jede Geschichtskenntnis unmöglich machen. Sie wird sich auf die Kenntnis der neuesten Ereignisse beschränken, die sie unmittelbar angehen, und der Rest wird aus ihrem Gedächtnis verschwinden, gar nicht zu reden von den physikalischen und moralischen Umwälzungen, die noch eintreten können, den Überschwemmungen oder Erdbeben, die weite Länderstriche verheeren, den Kriegen, die ganze Völker in die Barbarei zurückwerfen, wie es mit Griechenland geschehen ist, dessen Bürger nicht mehr wissen, daß jemals ein Lykurg, Solon, Epaminondas, Perikles, Demosthenes und Homer in den unglücklichen Gefilden lebte, wo sie als Sklaven der Türken hausen. Das sind Umwälzungen, die auf unserem Erdball stattgefunden haben und noch weiter stattfinden müssen. Aber ich wage Ew. Königliche Hoheit kühnlich zu versichern, daß wir vor jeder völligen Vernichtung geborgen sind. Das Werk des höchsten Wesens ist über Schicksalsschläge erhaben. Dies Wesen ist weise und sein Wille ewig; es wird also nicht aus Laune zerstören, was es einzurichten und zu vervollkommnen für gut befand.

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