Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

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An die Großfürstin Maria Feodorowna von Rußland

Im Lager von Schatzlar, 1. Oktober 1778.

Wollte ich Ew. Kaiserl. Hoheit von unserem Feldzug in Böhmen erzählen, so müßte ich Ihren Geist mit barbarischen Namen wie Gitschin, Schwarzthal, Lauterwasser, Prausnitz usw. beschweren. Ich verschone Sie, liebe Nichte, mit den Namen der Freischarenführer, wie Wurmser, Otto, Semihay, Querestony und anderen ebenso wohllautenden, mit denen wir unsere Ohren gequält haben. Unser Vergnügen besteht darin, alle 100 Schritt dem Bild eines böhmischen Heiligen zu begegnen, wie Sankt Nepomuk, Wenzeslaus, die Heilige Ludomilla, die weder Sie noch ich kennen. Da wir aber in Böhmen Krieg führen, so schneiden uns alle diese Heiligen böse Gesichter, und wir stellen ihnen unsere schlesischen Heiligen entgegen, an ihrer Spitze meine Urahne, die heilige Hedwig. Sucht die Kaiserin-Königin den Himmel durch Weihegaben zu bestechen, die sie der Heiligen Jungfrau von Kloster Zell darbringt, so setze ich Bestechung gegen Bestechung und gewinne für mich durch reiche Spenden die wundertätige Maria von Martha.

Sie sehen, liebe Nichte, über unserer Betätigung hinieden vernachlässigen wir den Himmel nicht. Doch eine andere Heilige giebt es in Petersburg, auf die ich größeres Vertrauen setze als auf alle die Himmlischen, die unbestechlich ist und nur dem Gebot der Weisheit folgt. Sie kennen diese Heilige und genießen, glücklicher als ich, alltäglich ihren wohltätigen Umgang. Doch ich muß fürchten, mein Brief langweilt Ew. Kaiserl. Hoheit; allein ich versichere Ihnen, nur weil ich nichts besseres weiß, womit ich Sie unterhalten könnte, erzähle ich vom Feldlager, das von Eisen und Soldaten starrt, wo sich jedermann täglich nur mit der Sorge für Essen und Trinken beschäftigt, wo man sich auf des Leibes Notdurft beschränkt, und wo sich sonst leider nichts wichtiges zuträgt.

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