Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

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An d'Alembert

Potsdam, 5. Mai 1767.

Sie drängen mich, Ihnen meine Ansicht über Ihre Zusätze zu Ihren »literarischen Versuchen« mitzuteilen. Ich wage Ihnen gar nicht zu sagen, daß ich in den Gedanken eines großen Mathematikers über die Musik hie und da sophistische Spitzfindigkeiten gefunden habe. Aber ich glaube, daß gelegentlich Worte im falschen Sinne gebraucht sind, und da ich sie vielleicht anders definiere, vermag ich die Meinung des großen Mannes nicht zu teilen. Die Musik kann nur Gemütsbewegungen ausdrücken; folglich gehört alles, was in den Bereich der anderen Sinne fällt, nicht zur Akustik. Trotzdem verlangt er vom Komponisten, er solle den Sonnenaufgang zum Ausdruck bringen. Meint er damit nicht, er solle die holde und sanfte Freude ausdrücken, die der Sonnenaufgang in uns erweckt? Wohl möglich. Aber von den tiefsten Saiten des Instruments zu den höchsten hinaufgehen und mathematisch wieder heruntersteigen – das wird nie die geringste Analogie zwischen dem Anblick eines schönen Morgens und den musikalischen Klängen herbeiführen. Halten wir uns in der Musik also an den Ausdruck der Gemütsbewegungen und hüten wir uns, das Quaken der Frösche, das Krächzen der Raben und hundert andere Dinge nachzuahmen, deren Darstellung in der Musik ebenso verkehrt ist wie in der Poesie. Wie alle Dinge auf Erden haben auch die Künste, die zu unserer Freude dienen, feste Schranken. Lassen wir sie über ihre Sphäre Hinausgreifen, so entstellen wir sie, statt sie zu vervollkommnen. Ich bin nur ein dilettante und maße mir keine Entscheidung über Dinge an, von denen ich nur oberflächlich reden kann. Aber Sie wollten meine Meinung hören: hier ist sie.

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