Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

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An den Lord Marschall von Schottland

Potsdam, 16. März 1754.

Allerdings hatte ich nicht erwartet, lieber Mylord, daß ich es mit einem Philosophen zu tun bekommen würde, der mir eine Vorlesung über das Wesen des Ehrgeizes hielte. Im Grunde sind wir, glaube ich, einig; was uns trennt, sind nur die Bezeichnungen. Ich verstehe unter Ehrsucht eine heftige, leidenschaftliche Begier, größer zu werden, zu glänzen, Aufsehen zu erregen, sich einen hohen Namen zu schaffen; und das ist eine Gesinnung, die ich als Laster verdamme: ihr Endziel ist nicht sittlich. Wende ich mich nun auch von dieser Leidenschaft ab, die den Nächsten bedroht und ihrem eigenen Herrn gefährlich ist – anders denke ich über das Ehrgefühl: Dieses äußert sich in einem glühenden Verlangen, seine Pflicht besser zu leisten als andere, es ihnen durch innere Würdigkeit zuvorzutun. Ehrgefühl spornt, ohne Eifersucht zu erwecken, die Seele an, entreißt sie der Untätigkeit und Gleichgültigkeit. Ehrgefühl ließ den Prinzen Condé seinen Feldzug in die Franche Comté unternehmen, damit er Turennes holländischen von 1672 überbiete. Ich glaube, selbst ein Mensch, der fern von der großen Welt lebt, kann diesen Stachel verspüren; es ist, mit einem Wort, der edelste Antrieb zu allen unseren Leistungen. Was nun die meinen anlangt, so verdienen sie, lieber Mylord, die hohe Anerkennung nicht, die Ihre Freundschaft ihnen zollt. Die Menschen betrachten uns Könige mit denselben Augen wie kleine Kinder, die schon mit ihrem Lallen Bewunderung ernten, als sei das viel für ihr Alter: ganz erstaunt sind sie, wenn unsereiner weder stumpfsinnig noch närrisch ist, und so erklärt man sich schon mit unseren bescheidensten, vernünftigen Handlungen zufrieden. Sieht man nun aber von einigen wenigen Herrschern ab, so bleiben allein die Begründer der Reiche, die wirkliche Männer gewesen sind; Lässigkeit und Schlaffheit war dagegen offenbar das Erbteil aller ihrer Nachfolger. Ich glaube, ihre verdammenswerte seelische Trägheit ist auf Rechnung der üblichen Prinzenerziehung zu setzen, die sie wohl zum Gehorchen anhält, aber nicht zum Gebieten.

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