Sextus Aurelius Propertius
Werke
Sextus Aurelius Propertius

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XI.
Cornelia an Paulus.

        End', o Paulus, zu nezen mit strömender Thräne mein Grabmal.
    Drunten die dunkele Pfort' öfnet sich nimmer dem Flehn.
Wann einmal in des Orkus Gebiet ein Begrabener einging,
    Durch kein Bitten erweicht, sperret den Weg Diamant.
5   Ob dich Bittenden hörte der Gott des düsteren Hofes,
    Siehe, verweint ist doch taubem Gestade dein Gram.
Obere Götter bewegt ein Gelübd': hat Charon sein Fährgeld,
    Ach, das erblichene Thor kerkert die Schatten des Brands. 309
So hat traurig die Tuba getönt, als untergeschüret
10       Senkte vom Lager herab feindliche Flamme mein Haupt.
Was hat Ehe des Paulus, und was Siegswagen der Ahnherrn,
    Oder so manch Denkmal unseres Ruhms mir gefrommt?
Hatte die Parcen darum ich, Cornelia, weniger unmild?
    Sieh' izt eine mit fünf Fingern gehobene Last!
15   Nächte des Unheils ihr, und träg' hinsumpfende Furten,
    Und ringsum mir den Fuß hemmende Wasser gesamt,
Unreif zwar, doch nicht als Schuldige, kam ich herunter:
    Wolle mir Schatten doch Dis sanfte Geseze verleihn!
Oder wofern an der Urn' ein richtender Äakus sizet,
20       Auf, nach gezogenem Loos' über mich fäll' er das Recht!
Sizen die Brüder dabei, und zunächst dem minoischen Sessel
    Ernster Erinnyen Schaar bei dem geschärften Gericht!
Sisyphus raste vom Fels; still sei das Gewirbel Ixion's;
    Werde von Tantalus du, teuschende Welle, gehascht. 310
25   Cerberus fahr' heut keine der kommenden Seelen erboßt an,
    Und, nicht klirrend am Schloss, liege die Kette gesenkt.
Ich selbst rede für mich; wenn ich heuchele, dann, wie den Schwestern,
    Sei mir die Achsel von unseliger Urne beschwert.
Hat je einen der Ruhm durch Ahnherrnsiege verherlicht,
30       Afrika nennet im Stamm Sieger Numantia's mir.
Gleich ist die andere Reihe der mütterlichen Libonen;
    So dass beiderlei Haus raget, von Namen gestüzt.
Dann, da der Hochzeitfackel entwich die Verbrämung der Jungfrau,
    Und das gesprengete Haar gürtet' ein anderes Band,
35   Fügt' ich, trennbar nur so, mich deinem Lager, o Paulus.
    Melde der Grabstein dies, Einem nur sei ich vermählt.
Zeuge der Väter Gebein (du nennest es, Roma, mit Ehrfurcht),
    Denen unter dem Bild' Afrika lieget enthaart;
Zeuge mir Perses, der spielte den Mut des Ahnen Achilles,
40       Und mein Ahn, der das Haus dir, o Achilles, zerbrach: 311
Dass ich nimmer entnervt die Censorstrenge, dass nimmer
    Auch nur ein Flecken an mir euere Laren beschämt!
So siegprangendem Glanz war nicht Cornelia schädlich;
    Nein, auch im großen Geschlecht war sie der Muster ein Theil.
45   Nie, auch verlor sich mein Leben zum Fehl; von der bräutlichen Fackel
    Bis zur anderen blieb Seligkeit unser Verein.
Mir gab selber Natur aus dem Blut entsprossne Geseze;
    Besser hätte mich nie Furcht vor dem Richter gemacht.
Wenn auch die Urne von mir mit den herbesten Täfelchen urtheilt,
50       Nicht wird eine beschimpft, dass sie gesessen bei mir.
Nicht, o Priesterin du der gethürmeten Göttin Cybebe,
    Claudia, die du die fest haftende zogest am Seil;
Noch du, der, als Vesta zurück die vertraueten Feuer
    Foderte, weißes Gewand wieder belebte den Herd.
55   Nie, o Scribonia, dich, du Theuerste, hab' ich beleidigt.
    Was wol, außer den Tod, wünschtest du anders an mir? 312
Mutterthräne bewährt mein Lob, und Klage der Bürger;
    Cäsar's Seufzer ist Rechtfertigung meinem Gebein.
Dass die der eigenen Tochter so würdige Schwester gelebet,
60       Jammert er oft, und bethränt sahn wir die Wange dem Gott.
Und doch hab' ich die Ehre des Muttergewands mir verdienet;
    Nicht unfruchtbarem Haus' hat mich entraft das Geschick.
Lepidus du, und Paulus, o du mir im Tode noch Labsal,
    Ach, an euerer Brust schloss man die Augen mir zu.
65   Zweimal sah ich den Bruder auf elfenbeinenem Sessel;
    Als nun Konsul er ward, raubte die Schwester der Tod.
Tochter, mit Glanz empfing dich die Censorwürde des Vaters;
    Bleibe du Einem Gemahl, so wie die Mutter, getreu.
Mit Nachkömmlingen stüzt das Geschlecht. Ich löse den Nachen
70       Gern, denn mancherlei Weh hätte mein Schicksal vermehrt. 313
Das ist weiblicher Ehre der herlichste Lohn des Triumfes,
    Wann den verdienenden Staub lobet ein freies Gerücht.
Jezo empfehl' ich dir die gemeinsamen Pfänder der Liebe;
    Glühend auch noch in der Asch' athmet die Sorge für sie.
75   Mutterstelle vertrit, o Vater, du: jenes Gewimmel
    Meiner Geliebtesten hängt künftig am Halse nur dir.
Wann du väterlich küssest die Weinenden, küsse für mich auch.
    Unseres Hauses nunmehr trägest die Last du allein.
Und wenn, Jenen entfernt, dem einsamen Kummer du nachhängst;
80       Kommen sie, trockne, zu falsch heiterem Kusse, den Blick.
Sein dir die Nächte genug, nach mir, o Paulus, zu jammern;
    Und dass im Traum oftmals meine Gestalt dir erscheint.
Dort, so oft du im Stillen zu meinen Erscheinungen redest,
    Als ob ich Antwort geb', horche bei jeglichem Wort. 314
85   Doch wo ein anderes Bette der Thür entgegen gestellt wird,
    Und auf den Pfühl sich die Nachfolgerin sezet mit Scheu;
Lobt, o Kinder, und tragt die väterliche Vermählung.
    Durch Willfahren gerührt bietet euch jene die Hand.
Nie auch preiset die Mutter zu sehr; die der ersten verglichne
90       Wird zur Beleidigung sich deuten ein offenes Wort.
Oder wo ihm Andenken genügt der entschwundenen Gattin,
    Und so theuer ihm noch dünket die Asche von mir;
Lernet bereits nun fühlen die kommenden Tage des Alters,
    Und zum Vereinsamten hemmt jeglicher Sorge den Weg.
95   Was mir entzog das Geschick, werd' eueren Jahren ein Zuwachs;
    Durch mein übrig Geschlecht altere Paulus zum Greis.
Wohl auch stehts. Kein Trauergewand hab' ich Mutter getragen,
    Und mein Häuflein gesamt folgte zum Grabe mir nach. 315
Meine Sach' ist gesprochen. Ihr thränenden Zeugen, erhebt euch,
100       Während dem Leben Vergelt dankbar die Erde bezahlt.
Tugend führt auch zum Himmel empor. Sei werth durch Verdienst ich,
    Dass mein verherlichter Geist schwebe mit Ehrengespann!

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