Sextus Aurelius Propertius
Werke
Sextus Aurelius Propertius

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157 XXXIV.
An Lynceus.

        Darf der Gebieterin Antliz ein Mann noch vertrauen der Freundschaft?
    So ward mir ja beinah meine Geliebte geraubt.
Treu in der Lieb' ist keiner: behaupt' ich aus eigner Erfahrung.
    Selten, dass Schönheit nicht jeglicher sucht für sich selbst.
5   Bande des Bluts entweihet der Gott, und Freunde zertrennt er;
    Die einträchtig gelebt, ruft er zum grimmen Gewehr.
Gastlich empfing Menelaus den ehebrechenden Gastfreund.
    Ist nicht Medea dem Mann, ohn' ihn zu kennen, gefolgt?
Du hast, Lynceus, vermocht, mein Theuerstes frech zu berühren?
10       Sanken, o Falscher, dabei nicht dir die Hände zurück?
Was? wenn jene so fest nicht war, und so sicheres Herzens;
    Hättest du, solches Verraths Schuldiger, leben gekonnt? 158
Stoße den Mordstahl mir in die Brust, und reiche mir Gift dar;
    Meiner Gebieterin nur halte dich immer entfernt!
15   Du sei Seelengenoss, du Eigener Leibes und Lebens,
    Du Mitherscher, o Freund, aller Besizungen mir;
Nur für das Lager allein, für das einzige Lager verbitt' ichs.
    Als Mitbuhler sogar ist unertrüglich mir Zeus.
Selbst mich Einsamen stört, wann nichts ist, eigener Schatten;
20       Vor wie thörichter Furcht zitter' ich Thörichter oft!
Gleichwohl ist Ein Grund, so freveles Thun zu erlassen:
    Weil dir irre das Wort lallte von lauterem Wein.
Nie soll hinfort mich teuschen die Falte gestrengeres Lebens.
    Weiß doch jeglicher schon, Lieben, wie köstlich das sei.
25   Selbst mein Lynceus brennt in verspäteter Liebe wie rasend.
    Heil! mich erfreuts, dass Du unsere Götter besuchst! 159
Was doch frommt dir hinfort mit sokratischen Rollen die Weisheit?
    Und dass du der Natur Gänge zu sagen vermagst?
Auch des Lucretius Lied, das du eiferig lasest, was frommt dirs?
30       Nichts für der Lieb' Allmacht lernt ihr von euerem Greis.
Ahme vielmehr des Mimnermus Gesang nach, und des Philetas;
    Nur von Kallimachus nicht, was er in Blähung geträumt.
Denn ob du wieder besingst den Ätolierstrom Achelous,
    Wie er einmál voll herzbrechender Liebe geströmt;
35   Auch wie im Phrygierfelde die teuschende Flut des Mäanders
    Irret umher, und selbst eigene Wege betrügt;
Und wie Arion vordem, das redende Ross des Adrastus,
    An Archémorus leidprangendem Grabe gesiegt:
Nichts doch frommt das Geschick des amfiaraïschen Vierspanns,
40       Oder wie Jupiters Feind Kapaneus schrecklich erlag. 160
End' auch, Worte zu ordnen für Äschylus hohen Kothurngang,
    End', und schmiege dem Gang weicherer Chöre den Leib.
Jezo drechsele Verse, gespannt in die schmalere Drehbank;
    Und sing' eigener Glut Zärtlichkeit, barscher Poet.
45   Nicht gehst sicherer du, als Antimachus oder Homerus;
    Hoch auf Götter herab schauet das Mädchen mit Stolz.
Aber es beugt nicht eher der Stier sich dem lastenden Pfluge,
    Eh' ihm fest das Gehörn mächtige Seile geschnürt:
Noch wirst du freiwillig das Joch aufnehmen der Liebe;
50       Erst, du Trozer, von uns musst du gebändiget sein.
Keine der Mädchen begehrt den Verhalt zu wissen des Weltalls,
    Noch wie vom Brudergespann Luna des Lichtes entbehrt,
Noch ob hinter der Styx etwas nachbleibe des Lebens,
    Noch ob gesandt mit Bedacht schmettere Donner und Bliz. 161
55   Schaue doch mich, dem wenig daheim Fortuna zurückließ,
    Dem kein Urahnherr prangt mit erkämpftem Triumf,
Wie ich hersch' in dem Kreis' holdseliger Mädchen ein Mitgast,
    Durch ihn, den du herabwürdigen möchtest, durch Geist.
Mir sei Lust, hinträumen des gestrigen Kranzes Ermattung,
60       Mir, den getroffen der scharf zielende Gott in das Mark.
Aktium möge Virgil, und den waltenden Phöbus, und Cäsar's
    Tapferen Segelerzug, würdig erhöhn im Gesang:
Der nunmehr Äneas, den Held von Troja, bewafnet,
    Und am Lavinergestad' heimische Mauren erhebt.
65   Weichet zurück, Roma's Schriftfertiger, weichet, o Grajer;
    Etwas Größeres noch wächst, denn die Ilias, auf.
Du singst unter den Schatten des Pinienhains am Galäsus
    Thyrsis und Dafnis, indem glättet die Lippe das Rohr;
Und wie sogar zehn Äpfel verführerisch werden dem Mägdlein,
70       Oder ein Böckchen vom milchströmenden Euter gesandt. 162
Glücklicher, der du mit Obst wohlfeil dir ein Liebchen erhandelst,
    Hör' auch undankbar jene des Tityrus Lied!
Glücklicher Korydon dort, der den unberührten Alexis,
    Ihn, des ländlichen Herrn Freude, zu kosten versucht!
75   Ob nun gleich sein Habergeröhr dem Ermüdeten ausruht,
    Freundlich nennet ihr ihn, Hamadryaden, mit Lob.
Du auch singst die Gebote des alten askräischen Sängers,
    Wie Saat grüne der Flur, und wie die Rebe den Höhn.
Also ertönt dein Lied auf kundiger Laute melodisch,
80       Wie es der cynthische Gott stimmt mit behendem Gelenk.
Aber auch dies wird nicht unerfreulich dem Lesenden kommen,
    Ob er erfahren der Lieb', ob er ein Neuling noch sei.
Nicht auch fehlts ihm an Mut; und fehl' es ja: hell wie er tönte,
    Ließ doch Raum auch der Gans rohem Gesinge der Schwan.
85   Dies auch, als er vollbracht den Iason, spielete Varro, 163
    Varro, welchen in Glut seine Leukadia hielt.
Dies auch sangen die Lieder des gar nicht keuschen Catullus,
    Dass, wie Helena selbst, Lesbia Namen empfing.
Dies auch bekannte das Blatt des fein ausbildenden Calvus,
90       Als er den traurigen Tod seiner Quintilla sang;
Auch der jüngst, da er vieles ertrug von der schönen Lykoris,
    Todt in der unteren Flut rinnende Wunden gespült.
Ja, auch Cynthia ward im Gesang des Propertius namhaft,
    Wenn zu solchen ja mich würdigt zu stellen der Ruf.

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