Sextus Aurelius Propertius
Werke
Sextus Aurelius Propertius

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61 I.
An Mäcenas.

        Fragt ihr, woher mir so oft liebathmende Blätter beschert sein,
    Und wie dem Volke so sanft dring' in die Lippen mein Buch?
Nicht Kalliope pflegt, nicht dies mir zu singen Apollo;
    Warme Begeisterung haucht selber das Mädchen mir ein.
5   Mag voll Glanzes einher in koischer Toga sie wandeln,
    Ganz vom Koergewand wird mir die Rolle gefüllt;
Mag ich schaun an der Stirne zerstreut hinirrende Locken,
    Froh des gepriesenen Haars hebet die Stolze den Gang;
Mag sie die Lyra beseelen mit elfenbeinenem Finger,
10       Staun' ich, wie hold in der Kunst Bildung fliege die Hand; 62
Mag ihr sanft hinneigen der Schlaf die verlangenden Äuglein,
    Tausend Erfindungen dann stellen mir Dichter sich dar;
Mag sie entblößt mit mir nach entrissenem Mäntelchen ringen,
    Lang dann spinn' ich Gesäng', alle der Ilias gleich.
15   Was sie auch immer gethan, und was sie auch immer geredet,
    Endlos über ein Nichts dehnt die Geschichte sich aus.
Wäre ja mir so Großes gewährt, Mäcenas, vom Schicksal,
    Dass ich führen zur Schlacht könnte Heroengewalt:
Nicht Titanen besäng' ich, noch Ossa, gewälzt auf Olympus,
20       Dass zum Himmel empor Pelion bahnte den Weg;
Nicht auch die grauende Thebe, noch Pergamos, Ruhm dem Homerus,
    Noch, auf Xerxes Gebot, Ufer an Ufer gebrückt;
Oder wie Remus begann, und wie mutvoll ragte Karthago,
    Und wie die cimbrische Wut Marius dämpfte, der Held. 63
25   Was dein Cäsar gekämpft und gethan, das feiert' ich; du auch,
    Cäsar dem Großen zunächst, wärest das zweite Geschäft.
Denn wenn ich Mutina säng', und die Bürgerleichen Philippi's,
    Oder des Sikulermeers Kriegesfregatten in Flucht,
Auch die zerrütteten Herde des alten Hetruriervolkes,
30       Und Ptolemäergebiet pharischer Strande besezt,
Auch wenn Ägyptus ich säng', und wie matt hinschleppte der Nilus
    Sieben gefesselte Strommündungen zum Kapitol,
Oder der Könige Häls' in goldene Ketten geringet,
    Und auf dem heiligen Weg' Aktiums Schnäbel gerollt;
35   Dich stets würde die Muse dem Ruhm einflechten der Waffen,
    Du, für Ruhe, für Krieg, treuester Thatengenoss.
Theseus preist so drunten, den oberen preiset Achilles,
    Jener Ixíons Sohn, er den Menötiossohn.
Doch nicht im Phlegragefilde für Zeus und Enceladus Aufruhr
40       Fasst des Kallimachus Brust donnernde Halle genug; 64
Noch ward mir im Herzen die Kraft unweichliches Verses,
    Cäsar's Namen in altphrygische Ahnen zu reihn.
Segeler reden vom Wind', und Ackerer gerne vom Pflugstier;
    Eiferig zählt der Soldat Wunden, und Schafe der Hirt:
45   Unser Betrieb sind Schlachten im schmaleren Felde des Bettes.
    Mache sich, was er versteht, jeder zum Werke des Tags.
Ruhm ist, sterben in Lieb'; ist mein der andere, leben
    Ihrem Genuss, o allein sei ich dem Mädchen doch lieb!
Ist mir recht, selbst tadelt sie oft leichtsinnige Mägdlein,
50       Und um Helena nur mag sie die Ilias nicht.
Sollt' ich sogar noch kosten die tückischen Becher der Phädra,
    Welchen des Stiefsohns Herz doch unbethöret entging;
Sollten dahin mich raffen circëische Mischungen; sollt' auch
    Mir auf iolkischem Herd sieden der Kolcherin Gift:
55   Weil ja die Einzige sie mir Verstand und Sinne geraubt hat,
    Hier aus dem Haus' einst geh' unsere Leiche hervor! 65
Alles menschliche Leiden vermag Heilkunde zu lindern;
    Nur nicht Liebe verträgt künstliche Pflege des Wehs.
Selber den Fuß Philoktetes, den lahmenden, heilte Machaon;
60       Phönix Augen sogar Chiron, der Phillyra Sohn;
Selber den ausgetilgten Andrógeon gab Epidaurus
    Gott durch Kretergewächs wieder dem Vaterpalast;
Telephus auch, wie die Wunde vom Théssalerspeer er gefühlet,
    So vom Théssalerspeer fühlt' er die Heilung darauf.
65   Wer mir einmal dies Übel vermag zu bändigen, der nur
    Kann auch dem Tantalus wol beugen das Obst in die Hand;
Auch danaidischen Urnen den Raum zu füllen, gelingt ihm,
    Dass nicht die zärtlichen Häls' ewig belaste die Flut;
Ja vom kaukasischen Fels wird der losschmieden Prometheus
70       Haftende Arm', und der Brust endlich entscheuchen den Aar. 66
Wann auch immer demnach das Geschick mein Leben zurückruft,
    Und auf kleinlichem Mal winziger Namen ich bin:
O Mäcenas, du mir neidwürdige Hofnung der Jugend,
    Und für Leben und Tod mir der gerechteste Ruhm,
75   So dich etwa der Weg hinführt an meinem Begräbnis,
    Hemme der meißelnden Kunst Brittenkarosse vom Lauf,
Und mit Thränen gewähre das Wort der verstummenden Asche:
    »Dir hat, Armer, den Tod grausame Liebe gebracht!«

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