Sextus Aurelius Propertius
Werke
Sextus Aurelius Propertius

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VI.
An Cynthia.

        Nicht so füllten Besuche das Haus der Corintherin Laïs,
    Der zu huldigen ganz Gräcia lag an der Thür;
Auch die menandrische Thais umschwärmt' ein solches Gewühl nicht,
    Jene Belustigerin vom erichthonischen Volk;
5   Nicht auch, die Thebe's Pracht aus dem Schutt herstellete, Phryne
    Häufte sich durch so viel kommende Männer das Gut.
Ja, noch mehr, du erdichtest dir oftmals Afterverwandte,
    Dass zum Kusse nicht fehl' einer, der habe das Recht. 77
Mir sind Jünglinge selbst im Gemäld', und Götter ein Anstoß,
10       Mir in der Wiege das kaum lallende Knäblein sogar.
Anstoß giebts, wenn die Mutter zu viel küsst, oder die Schwester,
    Auch wenn der Freundinnen ein' etwa dir schläft im Gemach.
Alles ist mir anstößig, dem Furchtsamen. Siehe der Furcht nach!
    Unter dem Röckchen, o Graun! dünkt mir verborgen ein Mann.
15   Solche Vergehungen einst, wie der Ruf sagt, führten zur Feldschlacht;
    Troja's blutigen Krieg schauest du hier im Entstehn.
Selber die Bergcentauren, gereizt durch ähnlichen Wahnsinn,
    Schmetterten Becher des Mahls gegen Pirithous hin.
Was Beispiele vom Grajer geholt? Du brachtest den Vorwurf,
20       Romulus, welchen die wildherzige Wölfin gesäugt!
Du hast rauben gelehrt unsträfliche Fraun der Sabiner;
    Drum wird jezo in Rom alles von Amor gewagt. 78
Wohl der Gattin Admets, und des Ithakers Lagergenossin,
    Und welch anderes Weib liebet die Schwelle des Manns!
25   Wozu baueten wir für die Mägdlein Tempel der Keuschheit,
    Ist der Vermählten, zu sein, was ihr gelüstet, erlaubt?
Welcherlei Hand auch zuerst unsaubere Bilder gemalt hat,
    Und im Hause der Zucht Schnödes dem Blicke gestellt:
Die hat edelen Mädchen der Äugelein Reine besudelt,
30       Und zum eignen Gelust noch Unerfahrne gereizt.
Wehe dem Mann, der auf Erden hervor mit den Künsten gebracht hat
    Zwietracht, unter geheim gaffender Freude versteckt!
Ehmals schimmerten nicht in den Wohnungen solche Gestalten;
    Da war keinem die Wand je mit Verbrechen bemalt.
35   Aber auch nicht unbillig verhüllt Spinnwebe den Tempel,
    Und es umwächst Unkraut rings den verödeten Gott. 79
Was denn soll ich für Hüter, und was für Schwellen dir ordnen,
    Dass nie drüber hinweg wandele feindlicher Fuß?
Ihr, die selber nicht will, sind finstre Bewachungen unnüz;
40       Die zu fehlen sich schämt, Cynthia, schüzt sich genug.
Mich soll ein Weib niemals, niemals mich ein Mädchen dir abziehn;
    Stets mir Mädchen allein bleibest du, stets mir auch Weib.

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