Sophie von La Roche
Geschichte des Fräuleins von Sternheim
Sophie von La Roche

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Nachts um neun Uhr

Das letztemal, meine Emilia, habe ich meine schwachen entkräfteten Arme nach der Gegend ausgestreckt, wo Sie wohnen. Gott segne Sie, und belohne Ihre Tugend und Ihre Freundschaft gegen mich! Sie werden ein Papier bekommen, das Ihr Mann meinem Oncle, dem Grafen R., selbst übergeben soll. Es betrifft meine Güter.

Alles, was von der Familie von P. da ist, soll des Grafen Löbaus Söhnen gegeben werden. Ihr Schwager, der Amtmann, hat das Verzeichnis davon.

Was ich von meinem geliebten Vater habe, davon soll die Hälfte zu Erziehung armer Kinder gewidmet sein. Einen Teil der andern Hälfte gebe ich Ihren Kindern und meiner Freundin Rosina. Von dem andern Teil soll meinen armen hiesigen Hauswirten tausend Taler, und der unglücklichen Lidy auch so viel gegeben, von dem Überrest aber mir zu den Füßen der Grabmäler meiner Eltern ein Grabstein errichtet werden, mit der simplen Aufschrift:

Zum Andenken ihrer nicht unwürdigen
Tochter, Sophia von Sternheim –

Ich will hier unter dem Baume begraben werden, an dessen Fuß ich dieses Frühjahr oft gekniet, und Gott um Geduld angeflehet habe. Hier, wo mein Geist gemartert wurde, soll mein Leib verwesen. Es ist auch mütterliche Erde, die mich decken wird; bis ich einst in verklärter Gestalt unter den Reihen der Tugendhaften treten, und auch Sie, meine Emilia, wiedersehen werde. Rette indessen, o meine Freundin, rette mein Andenken von der Schmach des Lasters! Sage: daß ich der Tugend getreu, aber unglücklich, in den Armen des bittersten Kummers, meine Seele voll kindlichen Vertrauens auf Gott, und voll Liebe gegen meine Mitgeschöpfe ihrem Schöpfer zurückgegeben, daß ich zärtlich meine Freunde gesegnet, und aufrichtig meinen Feinden vergeben habe. Pflanzen Sie, meine Liebe, in Ihrem Garten eine Zypresse, um die ein einsamer Rosenstock sich winde, an einem nahen Felsstein. Weihen Sie diesen Platz meinem Andenken; gehen Sie manchmal hin; vielleicht wird es mir erlaubt sein, um Sie zu schweben, und die zärtliche Träne zu sehen, mit der Sie die abfallende Blüte der Rose betrachten werden. Sie haben auch mich blühen und welken gesehen; nur das letzte Neigen meines Haupts und den letzten Seufzer meiner Brust entzog das Schicksal Ihrem Blick. – Es ist gut, meine Emilia; du würdest zu viel leiden, wenn du mich sehen könntest. – Der Grund meiner Seele ist lauter Ruhe; ich werde sanft einschlafen, denn das Verhängnis hat mich müde, sehr müde gemacht. Lebe wohl, beste freundschaftliche Seele; laß deine Tränen um mich ruhig sein, wie die, die um dich in meinen trüben Augen schwimmet. – –


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