Sophie von La Roche
Geschichte des Fräuleins von Sternheim
Sophie von La Roche

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Im April

O Zeit, wohltätigstes unter allen Wesen, wie viel Gutes hab ich dir zu danken! Du führtest allmählig die tiefen Eindrücke meiner Leiden und verlornen Glückseligkeit von mir weg, und stelltest sie in den Nebel der Entfernung, während du eine liebreiche Heiterkeit auf die Gegenstände verbreitetest, die mich umgeben. Die Erfahrung, welche du an der Hand führest, lehrte mich die übende Weisheit und Geduld kennen. Jede Stunde, da ich mit ihnen vertrauter wurde, verminderte die Bitterkeit meines Grams. Du, alle Wunden des Gemüts heilende Zeit, wirst auch den Balsam der Beruhigung in die Seele meiner wenigen Freunde gießen, und sie in Umstände setzen, worin sie die frohen Aussichten ihres Geschickes ohne den vergällenden Kummer um mich genießen können. Du hast die Trostgründe der Güte meines Schöpfers, die das geringste Erdwürmchen unter den Schutz kleiner Sandkörner begleitet, wieder in meine Seele gerufen; du hast mich sie in diesen rauhen Gebürgen finden lassen, den Gebrauch meiner Kenntnisse in mir erneuert, und die im Schoße des Glückes schlafenden Tugenden erweckt und geschäftig gemacht. Hier, wo die physikalische Welt wenige Gaben sparsam unter ihre traurigen Bewohner austeilt, hier habe ich den moralischen Reichtum von Tugenden und Kenntnissen in der Hütte meiner Wirte verbreitet, und mit ihnen genieße und koste ich ihre Süßigkeit. Von allem, was den Namen von Glück, Ansehen und Gewalt führt, völlig entblößt, mein Leben den Händen dieser Fremdlinge anvertraut, wurde ich ihre moralische Wohltäterin, indem ich ihre Liebe zu Gott erweiterte, ihren Verstand erleuchtete, und ihre Herzen beruhigte, da ich durch Erzählungen von andern Weltteilen und von den Schicksalen ihrer Einwohner in den Erholungsstunden meiner armen Wirte Vergnügen um sie hergoß. Ich habe die traurigen unschuldsvollen Tage einer doppelt unglücklichen Waise durch Liebe, Sorge und Unterricht mit Blumen bestreut; von dem Genusse alles dessen, was die Menschen als Wohlsein betrachten, entfernt, genieße ich die wahren Geschenke des Himmels, die Freude wohlzutun und die Ruhe des Gemüts als Früchte der wahren Menschenliebe und erfahrner Tugend. – Reine Freude, wahre Güter! ihr werdet mich in die Ewigkeit begleiten, und für euren Besitz wird meine Seele das erste Danklied anstimmen.


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