Auswahl Deutscher Gedichte für höhere Schulen
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Deutschland und die Welt

Wenn ich an Deutschland denke,
Tut mir die Seele weh,
Weil ich rings her um Deutschland
Die vielen Feinde seh.

Mir ist zur Nacht die Ruhe
Des Schlafes dann verstört,
Weil stets mein Ohr das Flüstern
Und böse Raunen hört',

Mit dem sie sich bereden
Zu Anschlag und zu Rat,
Um Deutschland zu verderben
Durch eine schwere Tat.

Dann kehren die Gedanken
Bei ferner Zukunft ein
Und fragen: Wird denn jemals
Das Deutschland nicht mehr sein?

Und wenn ich also denke,
Wird mir so weh, so schwer,
Wie wär die Welt, die reiche,
Alsdann so arm und leer!

Dann würden sie sich schlagen,
Verzweifelnd, Brust und Haupt:
»Wir haben unsers Reichtums
Uns frevelnd selbst beraubt!

Die Welt, die große, reiche,
Ward öde, arm und leer,
Die Welt hat keine Seele,
Sie hat kein Deutschland mehr!«

Du Land voll Blut und Wunden,
Die Unrecht schlug und Spott,
Dir blieb von allen Freunden
Ein einziger, dein Gott!

Nur einer, doch der stärkste,
Der nicht im Stiche läßt –
Deutschland, du Land des Glaubens,
Halt deinen Glauben fest!

Du hast es ja ertragen,
Was nie ein Volk ertrug,
Daß dreißig Jahr die Geißel
Des Krieges dich zerschlug.

Tränen, wie du sie weintest,
Hat nie ein Volk geweint,
In solchem Todesjammer
War nie ein Volk versteint.

Und was sie dir genommen,
Eins war dir nie geraubt,
Deutschland, dir blieb die Zukunft,
Weil du an sie geglaubt.

So bist du auferstanden
Lebendig aus dem Tod,
So wirst du jetzt bestehen
Auch diese Zeit der Not.

Ernst von Wildenbruch

 


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